Figuren des Immunen. Elemente einer politischen Theorie
Buchgespräch mit Isabell Lorey und Thomas Lemke
Freitag, 28. Oktober 2011 um 20 Uhr
Eintritt 4 Euro
Die republikanischen Auseinandersetzungen zwischen Plebejern und Patriziern bilden ein Urszenarium politischer Theorie. Am Beispiel des Exodus der Plebejer und den darauffolgenden Kämpfen zweier politischer Ordnungen um eine neue Konstituierung interpretiert Isabell Lorey die römische Geschichte neu. Dabei erhält bei ihr der homo sacer, ganz anders als bei Agamben, eine widerständige immunisierende Funktion. Diese Neuinterpretation der römischen Geschichte dient als Hintergrund für eine umfassende politische Theorie der Immunisierung. Anhand unterschiedlicher Figuren des Immunen werden die Dynamiken zwischen dem Bedrohlichen, dem Aufstand, der Seuche auf der einen Seite und der Herrschaftssicherung auf der anderen Seite, zwischen dem Gefährdeten und der herrschenden Ordnung analysiert.
Isabell Lorey lehrt Politische Theorie, Kulturwissenschaften und Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Wien.
Thomas Lemke hat die Heisenberg-Professur für Soziologie mit dem Schwerpunkt Biotechnologie, Natur und Gesellschaft am Fachbereich 3 der Goethe Universität Frankfurt.
Isabell Lorey
Figuren des Immunen. Elemente einer politischen Theorie
Diaphanes 2011, 26,90 €
HUGO BALL UND ERNST BLOCH EINE MOMENTAUFNAHME DER DEUTSCHEN INTELLIGENZ
Lesung, Gespräch und Rezitation
Eintritt: frei
Über die Begegnung zwischen Hugo Ball und Ernst Bloch und ihre Folgen für die deutsche Intelligenz im Ersten Weltkrieg sprechen, lesen und diskutieren: Michael Braun, Gerhard Deny, Karl Piberhofer und Marcus Roloff.
Zwei Feuerköpfe des Geistes, zwei Freidenker mit anarchistischen und messianischen Zügen trafen im Oktober 1917 im Schweizer Exil aufeinander: Hugo Ball, der Literaturrevolutionär, der sich gerade von den Verheißungen des von ihm begründeten Dadaismus losgesagt hatte, und Ernst Bloch, der mit seinem expressionistischen „Geist der Utopie“ eine neue Prophetie formulierte.
Gegen den mörderischen Wahnsinn des Ersten Weltkrieges setzten Ball und Bloch in der „Freien Zeitung“ in Bern ihre radikaldemokratischen Ideale. Aus der Freundschaft der beiden erwuchs zunächst eine gemeinsame Theologie der Revolution.
Die Zusammenarbeit dieser unabhängigen Geister sorgte aber nicht für wechselseitige Inspiration, sondern auch für eine gewaltige Reibungshitze, die bald zum Zerwürfnis führte.
Zum 125. Geburtstag von Hugo Ball ist nun im Verlag Das Wunderhorn der von Michael Braun herausgegebene Sammelband: „Der magische Bischof der Avantgarde“ erschienen, der auch die gemeinsame Zeit von Ball und Bloch thematisiert:
Hugo Ball – der magische Bischof der Avantgarde.
Verlag Das Wunderhorn 2011.
148 Seiten, Gebunden, € 18,90
Die Beiträge: Ernst Teubner: Hugo Ball, Ein Lebensbild in Umrissen Bärbel Reetz: Emmy Hennings und Hugo Ball – „ein wunderliches Paar“ Eckhard Faul: Hugo Ball und die Pfalz Gerhard Deny: Askese und Veitstanz: Hugo Ball und Hermann Hesse Michael Braun: Katholizität und Anarchie: Hugo Balls Passionen Norbert Lange: „Gadji Beri Bimba“ – Hugo Balls Sprachenwunder Karl Piberhofer: An der Wiege des Dadaismus wird gesungen. Zu Hugo Balls Totentanz 1916 Hugo Ball: Totentanz 1916 Gerhard Deny: Gegenwelten. Die religiösen Fluchtlinien Hugo Balls Urs Allemann: das haben Sie gewaltet / eine verhornung
Autoren werden Briefe von Walter Boehlich an Ingeborg Bachmann, Gottfried Benn, Max Frisch, Uwe Johnson, Wolfgang Koeppen, Siegfried Lenz, Hans Erich Nossack und Siegfried Unseld lesen.
Im Anschluss gibt es Brezeln und Wein.
Wir freuen uns auf Sie!
Ihre Autorenbuchhändlerinnen
Walter Boehlich (16.9.1921 bis 6.4.2006) war Literaturkritiker, Verlagslektor und Übersetzer, eine der großen intellektuellen Gestalten der alten Bundesrepublik, der das öffentliche Leben geprägt hat. Er war einer der Gründer der Autorenbuchhandlung.
Auf dem Foto ist er (rechts) im Gespräch mit Valentin Senger zu sehen.
Das Foto entstand 1984 in der "alten" Autorenbuchhandlung, Eppsteiner Straße.
Als ein wohlmeinender Lehrer den Neuen in der Klasse des Osloer Gymnasiums bittet, den anderen Schülern und ihm doch etwas über sein Leben auf dem Land zu erzählen, rastet der 13jährige Audun aus. Er hat an diesem Morgen auf dem Weg zu der neuen Schule schon einen Regenguss überstanden, der ihn völlig durchnässt hat, und dem Direktor bei der Vorstellung klar gemacht, dass er seine Sonnenbrille auf keinen Fall in der Schule abnehmen wird, aber jetzt reicht es ihm. Er packt seine Tasche, steht auf und erklärt, er habe immer gute Noten gehabt und könne dem Lehrer gerne seine Zeugnisse zeigen, aber sein Privatleben ginge niemanden etwas an. Der Lehrer entschuldigt sich, die Klassenkameraden sind beeindruckt, und er gewinnt einen Freund.
Selten hat ein Autor seinen Protagonisten und Ich-Erzähler beeindruckender eingeführt als Petterson in „Ist schon in Ordnung“. Der 13jährige, der da gerade mit Mutter und Geschwistern aus der Provinz in ein Osloer Arbeiterviertel gezogen ist und so cool und selbstbewusst seinen ersten Schultag beginnt, fesselt von der ersten Seite an. Umso mehr, als wir uns seine Geschichte im Grunde aus den wie absichtslos zwischen genauen Beobachtungen des Alltags eingestreuten Hinweisen selbst zusammensetzen müssen. Über Gefühle spricht Audun nicht, höchstens in knappen Worten über Ereignisse – und was für welche: der Tod des Bruders, die Szenen mit dem unberechenbaren, gewalttätigen Vater, der Einzug des neuen Partners der Mutter und noch so einiges, was ausreichen würde, um einen Jugendlichen aus der Bahn zu werfen. Aber Audun geht wie ein moderner Huckleberry Finn unbeirrt seinen Weg – allein, wenn es sein muss, aber auch bereit und in der Lage, Hilfe anzunehmen, wo sie ihm angeboten wird. Er weiß genau, was er will, und tut, was nötig ist, ob er das Haushaltsgeld mit Zeitungsaustragen aufbessert, seinem Freund hilft, die Rowdys zu verprügeln, die dessen Vater zusammengeschlagen haben, oder ob er alles stehen und liegen lässt, um seine verheiratete Schwester vor ihrem, wie er glaubt, prügelnden Ehemann zu retten. Und wenn er uns an seinem 18. Geburtstag schließlich verlässt, dann braucht man keine Angst um ihn zu haben. Audun „ist schon in Ordnung“.
„Ist schon in Ordnung“ ist das erste Buch von Per Petterson, der hierzulande mit einigen späteren Büchern „Pferde stehlen“, bekannt geworden ist. Es ist auch das erste Buch, das ich von Petterson gelesen habe, aber bestimmt nicht das letzte. Mir ist selten ein Buch begegnet, das auf eine so knappe, unaufdringliche Art eine so dichte Geschichte erzählt. Erst im Gespräch darüber wird klar, wie viele einzelne Geschichten in diesen knapp 200 Seiten verpackt sind, wie viel Leben in einem doch relativ schmalen Buch steckt. Eine echte Entdeckung.
Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main
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… Die Schule fängt wieder an … Für alle, die in die erste Klasse kommen, haben wir hier unsere Lieblingsbücher zum Thema Schulanfang zusammengestellt. Manche finden wir auch für größere Grundschulkinder prima. Zum Beispiel die Geschichten über die finnische Ella, ihre Freunde und den herrlich lustigen Lehrer (davon gibt es auch gleich mehrere Bände – sämtlich empfehlenswert!) oder die Geschichten über das Traumpaar Oma und Frieder.
Wir wünschen: viel Spaß beim Stöbern!Mehr Infos zu den Büchern finden Sie durch einen Klick auf das Cover.
Ihre Autorenbuchhändlerinnen
Timo Parvela: Ella in derSchule
Aus dem Finnischen von Anu und Nina Stohner
dtv Reihe Hanser, 144 Seiten
Ab 6 Jahre
Gudrun Mebs: Schule! schreit der Frieder und die Oma, die kommt mit
Illustriert von Catharina Westphal
Sauerländer, Gebunden
72 Seiten
Ab 6 Jahre
Patricia Schröder: Erst ich ein Stück, dann du! 3 Schulgeschichten
Themenband 3
Mit Illustrationen von Antje Hagemann, Kris Van Alphen
Originalausgabe
Gebunden, Pappband, 96 Seiten,
Ab 6 Jahren
Matthias Duderstadt: Die Katze tritt die Treppe krumm
Mein großes Buchstabenspielbuch
ab 6 Jahren
Ulrike Ruwisch: Eine Schultüte voller Wunder
mit Illustrationen von Patrick Wirbeleit
Taschenbuch, 112 Seiten
ab 7 Jahren
Ingo Siegner: Der kleine Drache Kokosnuss kommt in die Schule
Mit farbigen Illustrationen des Autors
Gebundenes Buch, Pappband, 72 Seiten
Ab 6 Jahren
Erhard Dietl: Die Olchis fliegen in die Schule
64 Seiten · broschiert
ab 8 Jahren
Eveline Hasler: Schultüten-Geschichten
Mit vierfarbigen Illustrationen von Karoline Kehr
dtv junior
Hardcover, 72 Seiten
Ab 6
Wir laden alle Kindergarten- und Grundschulkinder ein!
In den Sommerferien lesen wir in unserer Buchhandlung an jedem Dienstag und Donnerstag um 10 Uhr ein Bilderbuch oder eine Geschichte vor. Sechs Wochen lang!
Die Veranstaltung dauert jeweils etwa eine halbe Stunde.
Der Eintritt ist frei. Wir freuen uns auf Euch!
Eure Autorenbuchhändlerinnen
Das ist unser Programm:
Mehr Informationen zu den Büchern bekommt Ihr/bekommen Sie durch einen "Klick" auf das Cover.
PS: Und für alle neuen Schulkinder, die sich schon sehr auf den Schulanfang freuen, haben wir Schultüten-Buch-Tipps zusammengestellt.
Dienstag, 28. Juni 2011
Anu Stohner, Henrike Wilson Das Schaf Charlotte und seine Freunde
Carl Hanser Verlag
Ab 3 Jahre
Donnerstag, 30. Juni 2011
Matze Doebele Pauls Glück
Jacoby und Stuart
Ab 5 Jahre
Dienstag, 5. Juli 2011
Sophie Schmid Opa ist der Größte
Picus Verlag
Ab 4 Jahre
Donnerstag, 7. Juli 2011
Philip Waechter, Fanny Joly Die kniffeligsten Fälle von
Meisterdetektiv Rattiko
Beltz Verlag
Ab 5 Jahre
Dienstag, 12. Juli 2011
Uta Krause Wann gehen die wieder?
Bloomsbury Verlag
Ab 4 Jahre
Donnerstag, 14. Juli 2011
Cornelia Funke, Kerstin Meyer Ritter Namenlos
Fischer Schatzinsel
Ab 5 Jahre
Dienstag, 19. Juli 2011
Hildegard Müller Cowboy
Carlsen Verlag
Ab 3 Jahre
Donnerstag, 21. Juli 2011
Chris Wormell Ein kluger Fisch
Moritz Verlag
Ab 5 Jahre
Dienstag, 26. Juli 2011
Andrea Hensen, Joelle Tourlouias Besuch bei Oma
Jacoby und Stuart
Ab 4 Jahre
Donnerstag, 28. Juli 2011
Paul Fleischman, David Roberts Die Dummköpfe
Dressler Verlag
Ab 5 Jahre
Dienstag, 2. August 2011
Peter Schössow Mein erstes Auto war rot
Carl Hanser Verlag
Ab 4 Jahre
Donnerstag, 4. August 2011
Chris Wormell Der Wald der wilden Tiere
Sauerländer Verlag
Ab 5 Jahre
Nach ihrem hochgelobten Debütroman „Der Schwimmer“ schreibt Zsuzsa Bánk die bewegende Geschichte dreier Kinder, die den Weg ins Leben finden. „Die hellen Tage“ ist ein großes Buch über Freundschaft und Verrat, Liebe und Lüge – über eine Vergangenheit, die erst allmählich ihre Geheimnisse enthüllt, und die Sekunden, die unser Leben für immer verändern.
Wir freuen uns darauf, Ihnen an diesem Abend die Autorin eines der für uns schönsten Bücher dieses Jahres vorzustellen!
Ihre
Autorenbuchhändlerinnen
Die Autorin
Zsuzsa Bánk, geboren 1965, arbeitete als Buchhändlerin und studierte anschließend in Mainz und Washington Publizistik, Politikwissenschaft und Literatur. Heute lebt sie als Autorin mit ihrem Mann und zwei Kindern in Frankfurt am Main. Für ihren ersten Roman „Der Schwimmer“ wurde sie mit dem aspekte-Literaturpreis, dem Deutschen Bücherpreis, dem Jürgen-Ponto-Preis, dem Mara-Cassens-Preis sowie dem Adelbert-von-Chamisso-Preis ausgezeichnet. Für die Erzählung „Unter Hunden“ erhielt sie den Bettina-von-Arnim-Preis.
Zsuzsa Bánk: Die hellen Tage. Roman
S. Fischer Verlag
Gebunden. 544 Seiten, € 21,95
im Rahmen der Veranstaltungsreihe "Frankfurt liest ein Buch"
Ein Roman in seiner Zeit: "Abschaffel" und die 70er Jahre.
Ein Gespräch mit Heinz Drügh, Wolfgang Schopf und Tom Koenigs.
Dienstag, 3. Mai 2011
20:00 Uhr
Eintritt: frei
Heinz Drügh ist Professor für Neuere Deutsche Literatur und Ästhetik, Wolfgang Schopf ist Literaturwissenschaftler und Archivar, beide an der Goethe Universität Frankfurt am Main.
Tom Koenigs ist Bundestagsabgeordneter der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. In den 1970er Jahren war er Mitglied der Gruppe „Revolutionärer Kampf“ und arbeitete als Buchhändler in der Karl Marx Buchhandlung.
Wir freuen uns auf einen spannenden, unterhaltsamen und literarischen Abend!
Kreation und Depression
Freiheit im gegenwärtigen Kapitalismus
Es diskutieren:
Heinz Drügh, Axel Honneth, Christop Menke, Juliane Rebentisch
Dienstag, 12.04.2011 um 20.00 Uhr, autorenbuchhandlung marx & co.
Aus Anlass des jüngst im Kadmos-Verlag erschienenen Aufsatzbandes diskutieren Heinz Drügh, Axel Honneth, Christoph Menke und Juliane Rebentisch darüber, wie Eigenverantwortung, Initiative, Flexibilität, Beweglichkeit und Kreativität zunehmend Eingang in das Selbstbild der Subjekte gefunden haben.
Das einst emanzipatorische Konzept der kreativen Selbstverwirklichung droht im Zeichen des kapitalistischen Wettbewerbs zu einem Zwang zu werden, der zu Entfremdung, innerer Leere, gefühlter Minderwertigkeit und Antriebsschwäche führen kann. Müssen wir das Freiheitsmodell der Selbstverwirklichung deshalb verabschieden? Oder brauchen wir es weiterhin, um die aktuellen politischen und ökonomischen Entwicklungen überzeugend kritisieren zu können?
Margriet de Moor
Der Maler und das Mädchen. Roman
Übersetzt aus dem Niederländischen von Helga van Beuningen
304 Seiten, Fester Einband
€ 19,90 (D)
Zwei Lebensgeschichten verknüpft Margriet de Moor in ihrem neuen Roman: Die des sechzigjährigen Malers (Rembrandt) und die der achtzehnjährigen Mörderin Elsje Christiaens.
An einem Maimorgen verlässt der Maler sein Haus, läuft durch die Straßen, kauft Farben ein. Eingebettet in den Tagesablauf erzählt Margriet de Moor seine Geschichte. Den Gipfel seiner Berühmtheit hat er weit überschritten, sein großes Haus und das Mobiliar sind versteigert worden, und seine geliebte zweite Frau ist an der Pest gestorben. Er lebt mit seinem Sohn in einer bescheidenen Unterkunft, aber er ist nicht unzufrieden. Mit jedem neuen Bild wagt er sich weiter vor zu einem neuen Verständnis des Lichts. Im Moment arbeitet er an dem Portrait zweier Liebenden. Dass sein künstlerischer Weg bei seinen Käufern zunehmend auf weniger Verständnis stößt, berührt ihn wenig, er findet Ruhe und Kraft in seiner Arbeit.
Parallel dazu erzählt Moor das kurze Leben des Mädchens Elsje. Aufgewachsen in Dänemark, folgt sie der älteren Stiefschwester, die zum Arbeiten nach Holland gegangen ist, nach Amsterdam, ohne zu wissen, wie sie sie dort finden kann. Im Gegensatz zum langen und erfüllten Leben des Malers erfahren wir nur von vierzehn Tagen aus Elsjes Leben: es sind die Tage ihrer abenteuerlichen Reise und der Ankunft in Amsterdam. Dort sucht sie ihre Schwester, wohnt in einer zweifelhaften Unterkunft, und als ihr Geld aufgebraucht ist, kommt es zum Streit mit ihrer Vermieterin. Elsje nimmt eine herumliegende Axt und erschlägt die Frau. Sie wird verhaftet. Im Prozess kann sie weder ein Motiv für die Tat angeben, noch zeigt sie Reue. Das Urteil lautet auf Tod durch Erdrosseln und öffentliches Ausstellen des Leichnams.
Beide Erzählungen laufen nebeneinander her, aber berühren sich doch. Wo der Maler über Licht, Farben und ihre Wirkung nachdenkt, strahlen die Winterlandschaft, die Menschen und das Meer in den Schilderungen von Elsjes Reise, als sähe man Bilder aus dem siebzehnten Jahrhundert. Diese Passagen sind die schönsten und heitersten im Roman, vielleicht gerade deshalb, weil der Leser um das traurige Ende weiß.
Margriet de Moor ist keine allwissende Erzählerin und taucht auch nicht mir Haut und Haar ins Zeitkolorit des 17. Jahrhunderts ein. In der Beschreibung der Bilder und ihrer Wirkung ist sie als heutige Betrachterin präsent. Und so wenig sie uns schlüssige Gründe dafür liefert, warum Elsje so zielstrebig in ihr Verderben reist, liefert sie Motive dafür, warum der Maler sich am Abend zu der Insel fahren lässt, wo Elsjes Leichnam an einem Pfahl gebunden hängt, um dort zwei kleine Zeichnungen von ihr anzufertigen, die unter dem Titel „Mädchen, an einem Galgen hängend“ heute im Museum zu betrachten sind.
„Das Mädchen und der Maler“ ist ein ruhiges, sanftes und melancholisches Buch. Neben den Hauptsträngen der Erzählung erfährt der Leser viel über das alltägliche Leben in der Rembrandtzeit. Über Kunst und über Liebe, Seuchen und Tod, Träume, Mut und Scheitern. Margriet de Moor gelingt es ganz wunderbar, den Leser in den Bann ihrer Geschichte zu ziehen.
Elisabeth v. Goessel
Azorenhoch mit Meerestiefen. Roman
Elisabeth von Goessel hat in ihrem gerade erschienenen Roman Azorenhoch mit Meerestiefen eine Krimigeschichte mit der landeskundlichen Geschichte der beiden Azoreninseln Faial und Pico verknüpft.
Die Protagonistin des Romans ist die Berliner Meeresbiologin Carlotta Brunotte. Diese kommt in einem intelligent inszenierten Katz- und Maus-Spiel nicht nur dem bislang verborgenen zweiten Leben ihres Großvaters auf die Spur, sondern gerät auch in einen Skandal um die Naturschutzbehörde der Inseln.
Foto: Verlag
Elisabeth von Goessel, geboren 1950, lebt seit 1969 in Frankfurt. Ihr erster Roman „Zwischendrin, doch außen vor. Heimat, die fremd geblieben ist“ erschien 2006. Er verarbeitet die Historie ihrer Mutter, eine Geschichte von Flucht und Vertreibung aus dem Sudetenland.
In ihrem neuen Roman bearbeitet Elisabeth von Goessel fiktiv die Geschichte ihres Großvaters Hans von Goessel, der Pilot der "Luft-Hansa" [so die damalige Schreibweise] war.
Elisabeth von Goessel
Azorenhoch mit Meerestiefen. Roman
MCT-Verlag, 14,90 €
Jean-Henry Fabre:
Erinnerungen eines Insektenforschers I
Souvenirs Entomologiques. Aus dem Französischen von Friedrich Koch. Mit Illustrationen von Christian Thanhäuser
Verlag Matthes & Seitz, 2010
291 Seiten, € 36,90
Jean-Henri Fabre, 1823-1915, war nicht nur Autodidakt und ein genialer Entomologe (Insektenforscher), sondern auch akribischer Wissenschaftler, Humanist, Poet, Philosoph, Künstler und félibre (Mitglied des okzitanischen Literaturkreises um Frédéric Mistral).
Er stammte aus einfachen familiären Verhältnissen. Seine frühe Kindheit verbrachte er auf einem Hof im Süden Frankreichs. Schon sehr früh unternahm er Streifzüge durch die heimische Flora und Fauna.
Durch mehrere Stipendien gelang es ihm, mit 17 Jahren Lehrer zu werden und neben seiner Berufstätigkeit weitere 30 Jahre Mathematik, Physik und Chemie zu studieren. Zudem nährte er seinen unstillbaren Forschungs- und Wissensdurst durch eigene stundenlange Naturbeobachtungen.
Neben Gedichten hat Fabre auch an die 80 Schulbücher verfasst. In Russland und in Asien ist er sehr bekannt, in Japan hoch verehrt als der Mann, der Wissenschaft und Literatur zu vereinen wusste.
1879, nach Jahrzehnten mit magerem & zeitweise unsicherem Einkommen (er hatte eine Familie mit 7 Kindern zu versorgen), kann er sich endlich seinen langersehnten Traum erfüllen: ein abgelegenes Grundstück am Rand eines kleinen Dorfes im département Vaucluse/Provence.
Hier kann er, im gänzlich verwilderten Garten, nun ungestört seine heißgeliebten Insekten beobachten. Auf diesem Anwesen hat er den größten Teil seiner siebzehnbändigen ’souvenirs entomologiques‘ verfasst. Ein außergewöhnliches Werk, sowohl aus wissenschaftlicher als auch aus literarischer Sicht. In Fabres Beobachtungsgabe verbindet sich wissenschaftliche Genauigkeit, künstlerische Anmut und humane Bildung. Man ist tief berührt von Schilderungen über Insekten, die man bis dahin nur vage oder gar nicht kannte: Mistkäfer (‚der heilige Pillendreher‘), die mit unendlicher Geduld eines Sysyphos ihre Kugel den Hügel hinaufstemmen; Sandwespen, die in blitzartiger Schnelligkeit ihr Opfer lähmen, u.v.m.
Dem Wegbereiter der Ökophysiologie und Autodidaktem begegnen seine wissenschaftlichen Zeitgenossen jedoch oft mit Skepsis und Misstrauen. Seine leidenschaftliche und minutiöse Beobachtungsgabe revolutionierte die wissenschaftlichen Gepflogenheiten seiner Zeit, die sich bis dahin eher durch Beobachten am toten Tier in Ammoniaklösungen und dem Erstellen von unbewiesenen Theorien ergingen.
Es gab aber auch viele Bewunderer: Charles Darwin: "ein unnachahmlicher Beobachter", Victor Hugo: "der Homer der Insekten", Romain Rolland, Ernst Jünger, John Stuart Mill.
Seiner Zeit weit voraus (erst in den 80er Jahren des 20. Jahrhunderts gelang es Forschern, Fabres Beobachtungen mit Hilfe modernster Technik zu prüfen und ihre Richtigkeit zu bestätigen), blieb er sein Leben lang dem einfachen, bescheidenen Leben tief verbunden.
Als Leser fiebert man mit ihm und sieht sich förmlich neben ihm durch seinen Versuchsgarten kriechen, die sengende Sonne im Rücken, die betäubende Musik der Grillen und Zikaden in den Ohren. Der Verlag Matthes & Seitz und der Übersetzer Friedrich Koch haben sich der ambitionierten Aufgabe gewidmet, bis 2015 sämtliche ’souvenirs entomologiques‘ in 10 bibliophilen Bänden zu edieren. Bis heute erschienen in deutscher Sprache nur kleine Auswahlen seiner Texte.
Eine nach mehr als 100 Jahren würdige Ehrung des "Homers der Insekten
Chantal Gissel
Einen Blick in den Insektengarten von Jean-Henri Fabre gibt es: hier …
und hier geht es zur Website des Matthes & Seitz Verlags.
Carl van Vechten: Parties
Aus dem Amerikanischen von Egbert Hoermann
Verlag Walde + Graf, 2010
geb. 271 Seiten, € 24,95
Was ist das für ein wunderschön gestaltetes literarisches Buch! Der bibliophile Anspruch des kleinen, jungen Zürcher Verlags, Kunst und Literatur miteinander zu verbinden, nimmt einen bei der Lektüre mit Entzücken ein. Wann mag man schon einmal die Gestaltung der Paginierung bemerken und wann in einem Roman den besonderen Druck der Kapitelanfänge und die Vignetten loben? Doch vielleicht sollte man vor den Vignetten erst einmal überhaupt die erstklassigen, perfekt stimmigen, dekadent anmutenden Illustrationen von Maurice Vellekoop erwähnen! Armin Abmeier, nicht zuletzt bekannt als Herausgeber der „Tollen Hefte“ hat hier eine feine Reihe begonnen. Chapeau!
Den Inhalt des Romans verrät sein Untertitel. Es ist eine dekadente Gesellschaft, sehr elegant bewegt man sich am Abgrund, das Unheil der kommenden Jahre ist schon in Sicht: Weltwirtschaftskrise und Weltkrieg. Parties, Alkohol-Exzesse, Sinnlosigkeit. Nur die Ironie der Betrachtung macht die Situation erträglich, die Lektüre allerdings ist ein großes Vergnügen. Und so schließt man sich gerne dem Urteil der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung an:"Besser, härter, lustiger als jedes selbstveranstaltete Besäufnis." Claudia Biester
Zur Verlagsseite, auf der es richtig viel zu sehen gibt, geht es: hier …
und hier ist die: Leseprobe
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