Liebe Kundschaft, abMontag, den 8. März ist es soweit: wir haben wieder geöffnet und Ihr könnt im Laden endlich all die Bücher entdecken, die es (noch) nicht in die Feuilletons oder in unsere Schaufenster geschafft haben.
So wie schon im Dezember müsst Ihr auf ein hemmungloses und zeitlich unbegrenztes Stöbern vorerst leider noch verzichten. Maximal 4 Personen können gleichzeitig die Regale durchforsten – und das auch nur 5-10 Minuten. Wir lüften natürlich regelmäßig und unsere Luftfilter laufen auf Hochtouren.
Zur Abholung gilt weiterhin: bitte einzeln eintreten!
Denkt an Eure (medizinische) Maske und desinfiziert vor der Tür bitte die Hände! So hoffen wir trotz steigender Zahlen, den Laden auch über die nächsten Wochen für Euch und uns offen lassen zu können.
Es gelten die normalen Ladenöffnungszeiten: Montag – Freitag 9 – 19 Uhr Samstag 9 – 15 Uhr
Wir freuen uns auf Euch! Eure AutorenbuchhändlerInnen
Identitti – benannt nach dem gleichnamigen
Online-Tagebuch der Protagonistin Nivedita – beginnt als unterhaltsame
Persiflage auf den Habitus der gegenwärtigen Sozialphilosophie. Ein
glamouröser Starkult, der die Lehrstühle umgibt.
Professor*innen-Fanclubs,die sich in den sozialen Medien messen. Rasende
Aufsteiger*innen, denen der allzu persönliche Kontakt zu ihren
Mentor*innen zu Kopf steigt und die sich für schlaue Musterschüler*innen
halten, in Wirklichkeit aber sowohl in ihren Kursen als immer öfter
auch im eigenen Leben offenbar keinen einzigen klaren Gedanken mehr
fassen.
Mithu Sanyal entlarvt gnadenlos den Stumpfsinn
soziologischer und geschichtspolitischer Debatten im
140-Zeichen-Schreiformat, in denen es mehr um die schneidige
Erniedrigung des Gegenübers geht als um eine wahrheitsfähige Sprachform
und reproduziert dabei den modernen Diskurstypus in zahlreichen fiktiven
Blogeinträgen und Twitter-Mitteilungen so zielsicher, dass man
zwischendurch leicht vergisst, dass es sich „nur“ um einen Roman
handelt…
…der jedoch im Kern ein ganz reales Problem rund um den
theoretischen Begriff „race“ zur Sprache bringt, nämlich die Frage, wie
schwierig Rassismus als Beziehungsform zu verstehen und als
Herrschaftsform zu kritisieren ist. Für Nivedita, eine politisch aktive
Studentin der Postkolonialen Studien, bricht plötzlich die halbwegs
heile Welt der Akademie in sich zusammen, als der lange verschollen
geglaubte Bruder ihrer Lieblingsprofessorin – der mysteriösen Saraswati –
jedem, der es wissen will, im Internet medienwirksam erklärt, dass
Saraswati nicht im Geringsten, wie sie vorgibt, aus Indien stammt,
sondern die weiße privilegierte Tochter aus einem weißem privilegierten
Haushalt ist!
Die Ikone der antirassistischen Aktion wird über Nacht
nicht nur als wohlhabende Weiße bekannt, die sich durch skandalöse
Maskerade auf einen gutbezahlten Lehrstuhl geschwindelt hat, sondern
auch als die Schwester, die geschwiegen hat, als der adoptierte und
möglicherweise sogar geraubte Bruder beim ersten sich bietenden Vorwand
ins Sanatorium abgeschoben wurde. Das sitzt – und gibt Sanyal zahlreiche
Gelegenheiten, mit viel Sinn für permanente erzählerische Spannung das
Thema „race“ anhand des Skandals rund um Saraswatis selbsterklärtem
„trans-racial“- Grenzgang aus allen erdenklichen Richtungen zu
beleuchten. Und obwohl wirklich alle erdenklichen Positionen zum Thema
einmal drankommen, bleibt das Ganze doch stets ein lesbarer Roman, der
überhaupt nicht verkopft und ohne viel theoretischen Ballast daher
kommt.
Der akademische Super-GAU, der
größte anzunehmende Reality – und Privilegien-Check, mündet in den
folgenden Wochen schließlich in eine beständige Belagerungssituation –
drinnen Sarah Vera Thielmann ala Saraswati plus ihre treue Protegée
Nivedita; draußen der sprichwörtliche identitätspolitische Mob, der den
Kopf oder zumindest den Rücktritt und das Karriereaus für die
Hochstaplerin fordert. Kann Identitti das Ruder noch einmal herumreißen
und die Wucht der Internet-Empörung in emanzipatorische Bahnen umlenken?
Mithu Sanyal skizziert mit ihrer von den realen
Ereignissen um den Fall Rachel Dolezal inspirierten Geschichte einen
wichtigen Teil der widersprüchlichen Positionen zu den ontologischen
Kategorien der postkolonialen Theorie.
Florian Geissler, Karl Marx Buchhandlung, Frankfurt
Illustration von Jörg Mühle in Ullrich Hubs Das letzte Schaf
Ab Mittwoch, dem 16. Dezember gilt:
Zum Stöbern ist unser Laden geschlossen, aber wir sind weiter für Euch da!
Alle Weihnachtsbestellungen können an unserer Abholstation im Laden abgeholt werden.
Dazu einfach zu unseren Öffnungszeiten vorbeikommen und einzeln eintreten.
Unsere Abholstation ist von 10 – 18 Uhr geöffnet.
Telefonisch sind wir von 9 – 19 Uhr erreichbar.
Bestellungen, die wir nicht im Haus haben, sind in der Regel ab dem übernächsten Tag ab 11 Uhr abholbereit. Wegen des erhöhten Bestellaufkommens also einen Tag später als gewohnt.
Wie feiert man eine Messe, wenn Sie gar nicht stattfindet? Wie feiert man Verlage, wenn sie gar nicht da sind und Autoren, die nicht kommen?
Am besten, indem man ein Buch in die Hand nimmt und liest, ein Buch, das nicht virtuell, sondern physisch mit all seinen Ecken und Kanten in der Hand liegt, mit einem Schnitt so scharf und Charakteren so spannend, dass wir den Sicherheitsabstand vergessen und den Heldinnen ganz nahe rücken.
Am morgigen langen Messesamstag der Buchhandlungen in Frankfurt und Offenbach können Sie bis 18 Uhr bei uns stöbern und lesen und reden und so feiern, wie das gerade eben möglich ist.
Der Vertreter der Verlage Hanser und Beck Jochen Thomas-Schumann wollte uns im Laden einen kleinen Messestand aufbauen und mit den Autoren Kurt Drawert und Thilo Krause den Tag noch versüßen – leider müssen wir diesen Teil des Aktionstages krankheitsbedingt absagen.
Wir freuen uns auf Sie morgen zwischen 9 und 18 Uhr, dem 1. Aktionstag der Buchhandlungen initiiert von Open Books, dem Lesefest, auf dem Sie Autoren auch 2020 noch leibhaftig begegnen können – und uns bei dem ein oder anderen Buchtisch.
Liebe Freundinnen und Freunde des unabhängigen Buchhandels, werte Kundschaft,
besondere Zeiten erfordern besondere Formate. Eigentlich hätten wir Sie am 10. September und am 1. Oktober 2020 zu uns in die Buchhandlung eingeladen: Zu einem Abend mit dem Literaturwissenschaftler Christian Metz und Andreas Platthaus (Leiter des Ressorts Literatur und literarisches Leben bei der FAZ) sowie zu einem Abend mit dem Autor Abbas Khider und der Literaturkritikerin Insa Wilke. Während wir unsere Türen für Veranstaltungen noch nicht öffnen können, starten die Frankfurter Premieren und das Literaturhaus Frankfurt am 1. September wieder mit ihren Programmen. Wir freuen uns sehr, dass wir bei beiden Veranstaltungen mit ihnen kooperieren können und das literarische Leben ein bisschen weitergeht.
Am 10. September wird Christian Metz seine kulturwissenschaftliche Studie Kitzel, Genealogie einer menschlichen Empfindung mit Andreas Platthaus in der Ausstellungshalle 1A bei den Frankfurter Premieren diskutieren.
1. Oktober Literaturhaus Frankfurt
Am 1. Oktober wird Abbas Khider seinen neuen Roman Palast der Miserablen mit Anna Engel im Literaturhaus vorstellen.
Zu beiden Veranstaltungen wollen wir Sie und Euch herzlich einladen: Wir können einige Karten für die Veranstaltung Metz/Platthaus verkaufen (Do., 10. September, 19.30 Uhr, Frankfurter Premieren) sowie ein paar wenige für den Abend mit Abbas Khider um 18 Uhr (Do., 1. Oktober, im Literaturhaus). Wir würden uns sehr freuen, Sie und Euch ausnahmsweise mal außerhalb unserer Buchhandlung zu treffen.
Wer bei uns keine Karten mehr bekommen sollte: Auch die stille Lektüre der Bücher ist absolut empfehlenswert, und es gibt noch weitere Karten direkt bei den Veranstaltern.
Diskussion mit dem Autor Till van Rahden und Heinz Drügh
Di., 10.3.2020 um 20 Uhr
Ist die Demokratie in der Krise? Bewegt sie sich gar
auf ihr Ende zu? Wie können wir uns gegen die vielen schockierenden Angriffe
auf sie wehren? Das fragen wir uns nicht erst seit Halle, Hanau und Erfurt.
Die liberale Demokratie, deren Fragilität uns in den letzten Tagen wieder bewusst geworden ist, galt uns zu lange als selbstverständlich. Das ist die Grundthese von Till van Rahdens Essay. Demokratie erschöpft sich nicht mit dem Gang zur Wahlurne oder in Parlamentsdebatten, nicht in Leitartikeln oder Talkshows. Demokratie ist keine bloße Herrschaftsform (die ihrerseits von der Radikalen Demokratietheorie angegriffen wird), sie ist, behauptet van Rahden, vor allem eine Lebensform: Demokratie gründet sich auf bestimmten Umgangsformen, einem Ethos des Zusammenlebens in der sinnlichen Alltagserfahrung von Freiheit und Gleichheit, Solidarität und Streit. Wollen wir mehr sein als unbeholfene Demokraten, müssen wir die Umgangsformen pflegen, die Streitkultur stärken und die öffentlichen Räume ausbauen, die es uns gerade im Alltag ermöglichen, Gleichheit wie Freiheit zu erleben und in der Begegnung mit dem Fremden demokratische Tugenden einzuüben.
Mit Blick auf die Geschichte der
Bundesrepublik macht van Rahden deutlich, dass sich Demokratie an ihrer Praxis
messen lassen muss. Demokratie. Eine gefährdete Lebensform zählt „zu den
besten Büchern des Monats“ (Perlentaucher).
Till van
Rahden ist Historiker und lehrt Deutschland- und
Europastudien an der Université de Montréal/Kanada.
Heinz Drügh lehrt Literaturwissenschaften und Ästhetik an der Goethe Universität
Frankfurt.
Diskussion und Buchvorstellung mit den
HerausgeberInnen und Dirk Jörke
Do., 20.2.2020 um 20 Uhr
Ist die Demokratie in der Krise? Bewegt sie sich gar auf ihr Ende zu? Nicht erst seit der Regierungsbildung in Thüringen müssen wir uns diesen Fragen dringend stellen.
Folgt man Radikalen Demokratietheorien, dann haben wir es nicht mit einer Erschöpfung, sondern mit einer Krise liberaler, repräsentativer Demokratien zu tun: Liberale Demokratien seien nie demokratisch genug gewesen. Erstmals liefert das Suhrkamp-Handbuch einen umfassenden Überblick zu diesen Radikalen Demokratietheorien und zeigt zugleich, dass es mit deren Hilfe möglich ist, rechtspopulistischen Parteien und ihrer perfiden Inanspruch-nahme demokratischer Vokabeln etwas entgegenzusetzen. Bewegungen wie Podemos in Spanien oder Syriza in Griechenland berufen sich auf diese Positionen und fordern gleich-zeitig eine breite, dezentralisierte, jenseits von Wahlen stattfindende Partizipation der BürgerInnen. Ist der Ausgangspunkt von Radikalen Demokratietheorien, in den vielen Widerstandsbewegungen (Frieden, Sexualität, Ökologie etc.) die Wurzel von Demokratie zu sehen, eine Stärke oder Schwäche?
Dagmar Comtesse, Post Doc am Exzellenzcluster „Normative Ordnungen“
der Goethe-Universität, forscht aktuell am Deutschen Historischen Institut in
Paris mit den Forschungsschwerpunkten politische Philosophie und französische
Aufklärungsphilosophie.
Oliver Flügel-Martinsen, Prof. Dr., lehrt Politische Theorie und
Ideengeschichte an der Universität Bielefeld. Jüngste Buchveröffentlichung: Radikale Demokratietheorien zur Einführung,
Hamburg: Junius 2020 (im Erscheinen).
Dirk Jörke ist Professor für Politische Theorie und
Ideengeschichte an der TU Darmstadt. Kürzlich ist von ihm Die Größe der Demokratie bei Suhrkamp erschienen (2019).
Franziska Martinsen, PD Dr., Leibniz Universität Hannover, forscht
derzeit am Käte Hamburger Kolleg „Recht als Kultur“, Bonn. Jüngste
Buchveröffentlichung: Grenzen der
Menschenrechte. Bielefeld: Transcript 2019.
Martin Nonhoff ist Professor für Politische Theorie
an der Universität Bremen. Er arbeitet unter anderem zur radikalen
Demokratietheorie, zu Hegemonie- und Diskurstheorie sowie zu Methoden der
Diskursanalyse.
Demokratie in der Krise II, 10.3.2020:
Demokratie: Eine gefährdete Lebensform mit Till van Rahden und Heinz Drügh
Love is hard enough without the winter – so das Motto
eines Kapitels in Jan Wilms Roman Winterjahrbuch. Der mit dem
Autor namensgleiche Philologe macht sich in diesem Debüt auf die
Suche nach Schnee, allerdings nicht in den Alpen, nicht in Kanada,
nicht im Himalaya, sondern ausgerechnet im palmengesäumten
Kalifornien, in Los Angeles. Hier hat nur ein einziges Mal der
Schnee-Fotograf Gabriel Gordon Blackshaw den Schnee mit seiner
Kamera fixiert.
Auf den Spuren dieses Fotografen forscht Wilm dank eines Stipendiums
im Getty Center. So zielgerichtet sein Antragsschreiben gewesen sein
muss, das Protokoll seines Daseins in Kalifornien atmet einen
anderen Geist: In einer äußerst poetischen Sprache, die sich ihrer
Konstruktion in jedem Satz bewusst ist, kreist der Roman um eine
einsame Figur und um die Dimensionen von Liebe: der Liebe zu
Menschen, zur Literatur und zur Literaturwissenschaft – sowie dem
Ende aller Liebe, dem Verlust.
Zahlreiche überraschende Verweise in das Winterarchiv der Literatur
finden sich hier, denen wir an diesem Abend folgen: Der Schnee fällt
nicht hinauf, meinte Robert Walser und Herta Müller notiert: Immer
derselbe Schnee und immer derselbe Onkel.
Jan Wilm ist Schriftsteller, Literaturkritiker und
Übersetzer u.a. der Werke von Maggie Nelson. Als
Literaturwissenschaftler arbeitete er an der Goethe-Universität
Frankfurt und am Kulturwissenschaftlichen Institut Essen,
promovierte mit einer Arbeit über J.M. Coetzee, bevor er 2019 mit
seinem Roman Winterjahrbuch debütierte.
Miriam Zeh arbeitet nach einem Studium der Musik, Germanistik und Philosophie seit 2018 als freie Literaturkritikerin unter anderem für den Deutschlandfunk und ZEITONLINE und promoviert über Literatur als Arbeit.
Jan Wilm, Winterjahrbuch, Schöffling Verlag 2019, 24 €
Vier
Jahrzehnte war Barbara Klemm als Photographin für die „Frankfurter Allgemeine
Zeitung“ unterwegs, deren legendäre samstägliche Tiefdruckbeilage sie mit ihren
Bildern prägte. Wie kaum eine andere deutsche Photographin hat Barbara Klemm
das Zeitgeschehen der letzten Jahrzehnte mit der Kamera begleitet. Ihre
Aufnahmen sind zu Schlüsselbildern der Weltgeschichte geworden. Ihre Technik:
analog, schwarzweiß, ohne Stativ und Blitz, selbstentwickelte Abzüge ohne
Beschnitt auf Barytpapier. Sie kann Geschichten mit einem einzigen Bild
erzählen — in einer Intensität und Dichte wie kaum jemand sonst.
Zu ihrem 80sten
Geburtstag hat Schirmer/Mosel einen opulenten Band mit 212 Photographien aus
den Jahren 1969 bis 2019 veröffentlicht, den wir gemeinsam mit Barbara Klemm
und Andreas Platthaus feiern möchten.
Barbara Klemm,
1939 in Münster/Westfalen geboren, trat nach einer Ausbildung in einem
Portraitatelier in Karlsruhe ab 1959 eine Stelle als Photolaborantin bei der
Frankfurter Allgemeinen Zeitung an. Sie belieferte die Redaktion bald mit
eigenen Bildern, zunächst in freier Mitarbeit, ab 1970 bis Ende 2005 als
festangestellte Redaktionsphotographin für Politik und Feuilleton.
Zahlreiche Ausstellungen wurden
Barbara Klemms photographischer Arbeit gewidmet, etwa 1991 anlässlich der
Eröffnung des Museums für Moderne Kunst in Frankfurt a. M., 1999 im Deutschen
Historischen Museum in Berlin und 2013 eine Retrospektive im Martin-Gropius-Bau
in Berlin. Barbara Klemm wurde u. a. mit dem Dr.-Erich-Salomon-Preis für
Photographie, dem Hessischen Kulturpreis und dem Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt
am Main ausgezeichnet. Im Jahre 2010 wurde sie in den Orden Pour le mérite für
Wissenschaften und Künste aufgenommen.
Andreas
Platthaus, 1966
geboren, studierte in Tübingen Rhetorik, Philosophie und Geschichte. Seit 1997
arbeitet er im Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung und ist seit
2016 Chef des Ressorts Literatur und literarisches Leben.