Buchempfehlung

Juliane Ranck und Laura Setzer

Urban Farming

Löwenzahn Verlag
24,90 €

Die meisten LeserInnen der Kommbuch-Empfehlungen erwarten wohl vor allem Orientierung im Dickicht literarischer Neuerscheinungen und Hinweise auf das politisch und gesellschaftlich relevante Sachbuch. Dass die heutige Entdeckung sich auf den ersten Blick als ungewöhnlicher „Gartenratgeber“ tarnt, weckt hoffentlich Neugier. Hinter dem Titel Urban Farming der zwei Frankfurter Autorinnen Juliane Ranck und Laura Setzer steckt nämlich viel mehr: Es geht um nicht weniger als unser aller Zukunft, um das Miteinander von Mensch und Natur, um Alternativen zum Ressourcen vernichtenden Raubbau unserer überkommenen kapitalistischen Lebensform, um Ökosysteme, um Klimawandel und vor allem um sehr konkrete Vorschläge, was wir direkt vor unserer Haustür anders machen können, um ihn aufzuhalten.

Vom „Urban Gardening“ haben viele von uns schon mal gehört: kleine Parzellen in großen Städten, auf denen ein paar ambitionierte, alternative Freizeitgärtner dem städtischen Grau trotzen. Was aber ist Urban Farming? Was kann man sich unter Ernährungssouveränität vorstellen? Und was genau verbirgt sich hinter der seit den 1970er Jahren existierenden Idee der Permakultur (permanent (agri)culture)?

Ranck und Setzer haben in ihrem Buch historische und internationale Beispiele zusammengetragen, in denen Menschen alternative Formen des Gemüseanbaus gesucht, gefunden und weiterentwickelt haben, um viele Menschen unabhängig von langen Lieferwegen satt zu kriegen. Diese Beispiele reichen von den Pariser Marktgärtnern im 19. Jahrhundert über Rob Hopkins und seine Transition-Town-Bewegung bis zum Incredible Edible-Phänomen von Mary Clear in der kleinen britischen Textilstadt Todmorden.

Mit den theoretischen Grundlagen geben sich die Autorinnen jedoch nicht zufrieden, sondern initiierten und beschreiben nun eine ganz eigene Bewegung mit gemeinschaftlichem, ertragreichen Gemüseanbau in einer Großstadt wie Frankfurt. Kooperation statt Konkurrenz ist ein zentraler Permakultur-Satz. Und wenn man das Buch der sogenannten „GemüseheldInnen“ in den Händen hält, die Bilder der vormals zugemüllten Brachflächen, die zu blühenden Gemüsebeeten werden, betrachtet, keimen fast automatisch eigene Bilder auf und eine Vision, wie unsere Zukunft auch aussehen könnte.

Juliane Ranck, Laura Setzer und mit ihnen viele weitere GemüseheldInnen und vernetzte Organisationen, die sich in ihrem Buch auch vorstellen, haben eine gemeinsame Vision! In einer Zeit, in der es in den Medien immer wieder um die nur scheinbar unlösbare Frage geht, wie der menschengemachte Klimawandel aufzuhalten sein könnte, machen sich hier Menschen „einfach“ an die Arbeit. Statt abzuwarten, was die Politik beschließt, liefern sie einer Stadt und ihrer Region konkrete Vorschläge, die dann mit Fördermitteln zur Nachhaltigkeit nur noch umgesetzt werden müssen.

Vielleicht sind sie ein bisschen größenwahnsinnig, vielleicht aber auch nur realistisch. Denn wenn wir etwas ändern wollen, dann jetzt! In ihrem Vorwort fassen sie ihren Plan so zusammen: „Wir wollen Frankfurt essbar machen und damit dem Klimawandel entgegenwirken, gemeinsam etwas bewegen, uns gesund ernähren, naturnah leben und gärtnern – und das alles mitten im Großstadtdschungel“

Wenn nun die Sommerferien vor der Tür stehen und die sinkenden Infektionszahlen endlich wieder den Blick auf andere Themen freigeben, ist es vielleicht der ideale Zeitpunkt, ein kleines Stückchen Erde und Gleichgesinnte zu finden: Menschen mit Lust auf Veränderung, Spaß am Organisieren, Buddeln oder Gemüsepflänzchen vorziehen, die handwerklich, sprachlich oder politisch versiert sind, mit Kindern oder ohne. Denn in dieser Form der gelebten Permakultur ist jede Neigung und jedes Talent gefragt. Egal ob in Frankfurt, Berlin oder Köln, die Veränderungen hin zu nachhaltigem, lokalem Gemüseanbau können vielleicht von den Städten eher ausgehen als vom ländlichen Raum, wo konventionelle Landwirtschaft nur langsam umgebaut werden kann.

Urban Farming ist Sachbuch, Nachschlagewerk und Inspirationsquelle und wird ab seinem Erscheinungstermin, dem 24. Juni, hoffentlich bei vielen LeserInnen das Gleiche auslösen wie in mir: unbändige Lust, Teil einer aktiven, visionären gesellschaftlichen Bewegung zu werden, dabei zu sein, wenn gemeinschaftlich Zukunft gestaltet wird!

So werden vielleicht private, permakulturelle Initiativen noch in diesem Sommer möglich, nicht nur in Frankfurt!

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt