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Buchempfehlung – Abbas Khider „Ohrfeige“

Hanser Verlag, 19.90 €
Hanser Verlag, 19.90 €

Die titelgebende Ohrfeige ist für Frau Schulz bestimmt. Sie könnte auch Maier oder Müller heißen, aber mit Sicherheit sitzt sie in einem deutschen Amt und macht Dienst nach Vorschrift. Wer hier die Hand hebt, ist zunächst einmal einerlei, denn jeder, der mit Behörden oder auch nur Anträgen zu tun hatte, stand schon einmal hier, der Verzweiflung nahe. Wem es aber gelingt, seine Formulare ordnungs- und wahrheitsgemäß auszufüllen, der darf sich glücklich schätzen.

Deshalb ist es dann doch nicht einerlei, wer Frau Schulz in Abbas Khiders Roman ohrfeigen möchte, denn es ist kein Bürger dieses Landes, sondern einer jener jungen Asylsuchenden, die gerade tagein tagaus die Schlagzeilen beherrschen.

Er heißt Karim Mensey, er ist Anfang 20, er stammt aus dem Irak. Hätte er Frau Schulz seine Geschichte wahrheitsgemäß geschildert, er wäre längst abgeschoben worden: Karim wurde in seinem Land nicht politisch verfolgt, ist aber trotzdem geflohen. Warum? Das soll hier gar nicht verraten werden, auch ein Roman hat seine Intimitäten, die man nicht gleich preisgeben sollte, erst recht nicht, wenn der ruhige und klare Erzählstil dem Leser den Protagonisten so nah ans Herz zu legen vermag, als wäre er einer von uns. Als stamme Karim nicht aus einem 4000 Kilometer entfernten Land, in dem verheerende Kriege geführt wurden und werden und Terroranschläge auf der Tagesordnung stehen. Diese Version der Weltgeschichte tritt in Khiders Roman in den Hintergrund. Das kann man bemängeln. Aber man sollte sich deshalb die scheinbar so private Geschichte Karims nicht entgehen lassen, denn Karims Schicksal ist eines, das auch uns, unseren Kindern oder Kindeskindern passieren könnte –nicht nur jenen armen Menschen, die das Pech hatten, zur falschen Zeit am falschen Ort auf die Welt gekommen zu sein: im Kulturland zwischen Euphrat und Tigris, dem Land der Hängenden Gärten von Babylon.

Karim flieht mit einem klaren Ziel vor Augen: er möchte nach Paris, denn dort wartet Onkel Murad auf ihn. Am Vorabend der Flucht näht ihm die Mutter liebevoll das gesparte Geld in den Gürtel, küsst ihren Sohn zum letzten Mal. Die Hoffnung ist groß. Fünf Wochen ist Karim unterwegs, im Auto, im Schlauchboot, auf der Fähre, im Zug und wieder im Auto – nur nachts dürfen die Flüchtlinge für ein paar Minuten ins Freie. Niemand sagt ihnen, wo sie sind, jegliche Kommunikation mündet in babylonischer Sprachverwirrung. Bis ihn frühmorgens der Fahrer eines Minitransporters auf irgendeiner Landstraße aussetzt. Karim denkt, er sei in Frankreich – die Schlepper sollen die restliche Zahlung erst bekommen, wenn er sicher bei seinem Onkel angekommen ist –, aber Karim wird sein Ziel niemals erreichen. Mitten im europäischen Winter lässt er seine Flüchtlingsklamotten in den Schnee fallen und versucht, notdürftig hinter einem Baum versteckt, seine Herkunft hinter einer „schicken schwarzen Hose“ und einem „eleganten Hemd“ zu verbergen. Es nützt alles nichts, kaum hat Karim das Bahnhofsgebäude betreten, fragt ihn die Polizei nach dem „Passport?“ – „No Passport“, die Handschellen klicken. Sie untersuchen alle Öffnungen der Kleider, alle Öffnungen des Körpers, sie suchen routiniert und finden das liebevoll eingenähte Geld, konfiszieren es ebenso ungerührt wie die letzten Zigaretten.

Der eben noch Fliehende wird festgesetzt und ist für die kommenden Jahre jeglicher Aktivität beraubt: Karim darf nicht zu seinem Onkel nach Paris, hat er doch in Deutschland zuerst den europäischen Boden betreten und muss hier seinen Asylantrag stellen, Karim darf nicht arbeiten, er darf keinen Deutschkurs belegen, Karim darf nur eines: wohnen.

Wie Karim gegen all die ihn erstickenden Vorschriften für ein menschenwürdiges Leben kämpft, wie all seine “Kollegen“ im Asylantenheim ihr Leben ertragen, es feiern und daran verzweifeln und wieder neue Hoffnung schöpfen, das ist nicht nur Deutschland Anfang der Nullerjahre, das ist auch Deutschland 2016.

Khider hat in diesen aufgeregten Zeiten einen wunderbar unaufgeregten Roman geschrieben.

Ines Lauffer, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt am Main

Die Idee des Sozialismus – Axel Honneth im Gespräch mit Peter Wagner

Honneth
Suhrkamp 2015 22,95 €

Mittwoch, 10. Februar 2016, 20 Uhr

Prismen – Institut für Sozialforschung bei Marx & Co

Axel Honneths politisch-philosophischer Essay setzt mit einem irritierenden Befund ein: die Empörung über die sozialen und politischen Folgen des global entfesselten Kapitalismus ist in unserer Gesellschaft allgegenwärtig, aber dieser massenhaften Empörung fehlt ein normativer Richtungssinn und der Kritik kaum gelingt es kaum, Vorstellungen einer gesellschaftlichen Alternative jenseits des Kapitalismus zu entwickeln. Die Ideen des Sozialismus, die für mehr als 150 Jahre geschichtliche Orientierung zu geben vermochten, scheinen ihre Überzeugungskraft unwiderruflich verloren zu haben und für die Suche nach alternativen Lebensformen kein Anregungspotential mehr zu bieten. Weshalb? Und muss dem wirklich so sein? Gibt es in der reichen Ideengeschichte des Sozialismus nicht vielleicht doch Ansätze, die sich so rekonstruieren lassen, dass sie unseren historischen Erfahrungen angemessen sind und Wege zu einer Umgestaltung der entgrenzten Ökonomie anzeigen, die in den Normen von Freiheit und Solidarität – Axel Honneth spricht von »sozialer Freiheit« – ihre Grundlage hat?

Axel Honneth ist Direktor des Instituts für Sozialforschung, Jack C. Weinstein Professor of the Humanities an der Columbia University, New York, sowie Senior Professor für Sozialphilosophie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main. Veröffentlichungen u.a.:  Kampf um Anerkennung. Zur moralischen Grammatik sozialer Konflikte (Suhrkamp 1992); Das Recht der Freiheit. Grundriß einer demokratischen Sittlichkeit (Suhrkamp 2011).
Die Idee des Sozialismus. Versuch einer Aktualisierung (Suhrkamp 2015) wurde mit dem Bruno-Kreisky-Preis für das Politische Buch 2015 ausgezeichnet.

Peter Wagner ist ICREA Forschungsprofessor am Institut für Soziologische Theorie, Rechtsphilosophie und Methodologie der Sozialwissenschaften an der Universität von Barcelona; am Institut für Sozialforschung ist er Mitglied des Internationalen Wissenschaftlichen Beirats. In diesen Tagen ist von ihm erschienen: Progress. A Reconstruction (Polity Press 2016). Veröffentlichungen in Deutsch sind unter anderem Moderne als Erfahrung und Interpretation. Eine neue Soziologie zur Moderne (UVK 2009) und Soziologie der Moderne. Freiheit und Disziplin (Campus 1995).

Buchempfehlung – J.J. Abrams & Doug S. Dorst „S. – Das Schiff des Theseus“

theseus

Ehrfurcht packt den Leser, wenn er das Siegel des Schubers löst. Sofort fallen ihm aus dem Buch handgeschriebene Briefe, Postkarten und sogar eine auf eine Serviette gezeichnete Karte entgegen. „S“ ist ein Buchkunstwerk, das den Leser immer wieder überrascht und denselben Schauder über den Rücken jagt, als habe er selbst eine Kiste mit Hinweisen auf eine geheimnisvolle Geschichte auf dem Dachboden gefunden. Die Idee für dieses Projekt stammt von Regisseur J. J. Abrams, der unter anderem für den neuen „Star Wars“-Film verantwortlich ist. Für die Ausführung heuerte er den Autor Doug Dorst an, der kreatives Schreiben an der Texas State University lehrt. Die Umsetzung dieser ambitionierten Idee ist auch in der deutschen Fassung erstaunlich gut gelungen.

Erzählt wird die Geschichte auf vier Ebenen. Im Schuber (die erste Ebene), der den wirklichen Paratext enthält und die Autorschaft Abrams und Dorst zuschreibt, findet sich ein Band mit vergilbten Seiten aus dem Jahr 1949, der anmutet, als stamme er aus einer amerikanischen Bibliothek. Alles weist darauf hin: Der Aufkleber mit der Signatur am Buchrücken, ein Zettel mit eingestempelten Rückgabefristen im hinteren Buchdeckel und – ironischerweise – ein Stempel mit dem Hinweis an die Bibliotheksnutzer, das Buch pfleglich zu behandeln und von Eintragungen abzusehen. Diese zweite Ebene besteht aus einem Roman aus der Feder des geheimnisvollen Autors V. M. Straka, eine Abenteuer- und Verschwörungsgeschichte rund um S, der sein Gedächtnis verloren hat und sich mühsam in der Welt zurechtzufinden versucht. Jahrelang segelt er auf einem Schiff umher und wird mit gefährlichen Aufträgen betraut. Dabei versucht er immer wieder herauszufinden, wer ihn wozu für welche Mission einsetzen will, auf welcher Seite er steht, wem er trauen kann und wer er eigentlich selbst ist.

Die dritte Ebene besteht aus dem Vorwort und den Fußnoten eines gewissen F. X. Caldeira. Straka, so Caldeira im Vorwort, sei einer der einflussreichsten Schriftsteller des frühen 20. Jahrhunderts. Dennoch sei seine wahre Identität noch immer ungeklärt. Auch wenn es viele Kandidaten gebe, die hinter dem Namen Straka stehen könnten, konnte bisher keine der Vermutungen bestätigt werden. Caldeira selbst ist dem Leser jedoch keine Hilfe beim Lösen des Geheimnisses um den Autor Straka. Schnell wird klar, dass Caldeiras Kommentare mehr sein müssen als ergänzendes Informationsmaterial, denn sie sind seltsam unsachlich und verwirren das Rätsel um S und seinen Autor Straka mehr, als dass sie klären.

Die vierte Ebene des Buches drängt sich dem Leser bereits auf den ersten Blick auf: Die Seitenränder sind durchgehend eng mit handschriftlichen Notizen in verschiedenen Farben und zwei verschiedenen Handschriften gefüllt. Zwischen den Seiten liegen darüber hinaus handgeschriebene Briefe, Fotos, Zeitungsartikel, Postkarten, Zeichnungen und allerlei Material mehr, das von der Arbeit zweier Studenten zeugt. Die Collegestudentin Jen und Eric, der am selben College über Straka promoviert, haben, ohne sich persönlich zu kennen, damit begonnen, sich auf den Seitenrändern über die Geheimnisse um Straka, Caldeira und S auszutauschen. Sie wollen gemeinsam die vielen Rätsel lösen, die das Buch aufwirft, und verstecken nach ihren Einträgen das Buch in der Collegebibliothek, damit es der jeweils andere dort finden und seine Antworten hineinschreiben kann. Ihr Dialog bezieht sich aber nicht nur auf die Geschichte des Buches und den Kontext seiner Entstehung. Je besser sie sich kennenlernen, desto mehr tauschen sie sich auch über ihre persönlichen Probleme, Sorgen und Träume und wichtige Erlebnisse aus ihrer Kindheit aus.

Dem Leser stellt sich die Frage, in welchem Verhältnis die beiden Handlungsstränge stehen. Handelt es sich um Rahmen- und Binnengeschichte oder stehen sie gleichwertig nebeneinander? In welcher Reihenfolge nähert man sich dem Text am besten? Soll man zuerst die Geschichte von S lesen, um sich dann in einem zweiten Anlauf den Kommentaren an den Seitenrändern zu widmen? Oder besser doch alles gleichzeitig? Comic-erprobte Leser werden einen Vorteil haben, denn eine lineare Lektüre fällt schwer bei den vielen Kommentaren und Beigaben, die die Geschichte in verschiedenen Richtungen zugleich erzählen.

Die Wirklichkeit, in der Jen und Eric leben, mischt sich immer mehr auf unheimliche Weise mit der Geschichte Strakas. Auch das Buchprojekt selbst stellt dem Leser – nicht zuletzt mittels der einladenden, noch freien Stellen an den Seitenrändern – diese Frage: wo hört hier die Geschichte auf und wo beginnt die Wirklichkeit des Lesers?

Alena Heinritz, Mainz

Kämpfe um europäische Migrationspolitik – Sonja Buckel und Jens Wissel im Gespräch

Montag, 30. November 2015, 20 Uhr

Prismen – Institut für Sozialforschung bei Marx & Co

Die Europäische Union ist kein neuer Staat. Sie ist fragmentiert, umkämpft, voll innerer Widersprüche. In wenigen Politikfeldern wird dies so deutlich wie im Bereich des europäischen Grenzregimes. Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen um die Aufnahme von Flüchtenden nach Europa führen dies drastisch vor Augen. Sonja Buckel und Jens Wissel diskutieren die Ergebnisse einer intensiven vierjährigen Forschungsarbeit am Institut für Sozialforschung. Ausgehend von aktuellen Debatten materialistischer Staatstheorie und kritischer Europaforschung wurden in dem Forschungsverbund die Kämpfe um europäische Migrationspolitik untersucht. Im Mittelpunkt standen dabei einerseits zentrale Projekte der EU (Blue Card, Frontex , Dublin-Verordnung, Unionsbürgerschaft), andererseits Konflikte in Deutschland, Spanien und Großbritannien sowie auf europäischer Ebene. Die beiden Autor_innen werden veranschaulichen, vor welchen Schwierigkeiten die Forschungsarbeiten standen und wie ihre Studien den Hintergrund der aktuellen Konflikte beleuchten können.

Sonja Buckel, Dr. phil., ist Professorin für Politische Theorie an der Universität Kassel und assoziiertes Mitglied des Instituts für Sozialforschung. Sie studierte an der Goethe-Universität Frankfurt Politik- und Rechtswissenschaft und promovierte 2006 zur Rekonstruktion einer materialistischen Rechtstheorie. Sie ist Mitherausgeberin der Zeitschrift Kritische Justiz.
Jens Wissel, Dr. phil., ist Privatdozent am Fachbereich Gesellschaftswissenschaften der Universität Kassel und Gastwissenschaftler am Institut für Sozialforschung. Er studierte an der Goethe-Universität Frankfurt Politikwissenschaften sowie Soziologie und Philosophie und promovierte 2006 zur Transnationalisierung von Herrschaftsverhältnissen. Seine Habilitation »Staatsprojekt Europa – Grundzüge einer materialistischen Theorie der Europäischen Union« ist soeben als Buch erschienen.

Aus dem am Institut für Sozialforschung von 2009–2013 durchgeführten, von der DFG geförderten Forschungsprojekt zur Europäischen Migrationspolitik sind unter anderem die folgenden Bücher hervorgegangen:

migrationspolitik
Forschungsgruppe »Staatsprojekt Europa« (Hg.): Kämpfe um Migrationspolitik. Theorie, Methoden und Analysen kritischer Europaforschung. Bielefeld: transcript 2014
buckel
Sonja Buckel: »Welcome to Europe« – Die Grenzen des europäischen Migrationsrechts. Bielefeld: transcript 2013
wissel
Jens Wissel: Staatsprojekt Europa. Grundzüge einer materialistischen Theorie der Europäischen Union. Münster: Verlag Westfälisches Dampfboot 2015

 

 

 

Lesung & Gespräch – Shījīng 詩經 – Das altchinesische Buch der Lieder

Montag, 16. November 2015, 20 Uhr

Zur neu erschienenen Gesamtübersetzung mit Rainald Simon und Manfred Dahmer

978-3-15-010865-9
Reclam Verlag – Leinen, Fadenheftung, 856 Seiten, 49.95 €

Das Schijing – das altchinesische Buch der Lieder – ist die älteste Gedichtsammlung Chinas und eines der fünf kanonischen Werke, die laut Überlieferung von Konfuzius zusammengestellt wurden. Die Gedichte aus dem 11. bis 7. Jahrhundert v.Chr. gehören mit Homers Epen zu den ältesten literarischen Zeugnissen der Menschheitund bilden über zwei Jahrtausende hinweg die wichtigste Grundlage für die chinesische Lyrik.

Die 305 Liedtexte gliedern sich in Volkslieder (國風guófēng), Kleine und Große Rituallieder (雅yǎ) sowie 40 Preislieder (頌sòng), die dem heutigen Leser einen überraschend lebendigen kulturhistorischen Eindruck der von konfuzianischen Riten geprägten Gesellschaft der Zhōu-Dynastie liefern. Der vor allem in den „Volksliedern“ bisweilen sozialkritische Ton führt uns das Leben der Menschen aus der Bronzezeit vor Augen: Die bäuerliche Welt und die korrupten Beamten ebenso wie das ausschweifende Leben des Adels und die chinesische Kochkunst. Bis heute finden sich in chinesischen Redensarten einige Verse aus dem Buch der Lieder.

Die Neuübersetzung von Rainald Simon ist die erste deutsche Gesamtübersetzung des Buchs der Lieder seit Victor von Strauß’ gereimter Fassung von 1880.

Rainald Simon studierte Sinologie, Politologie, Ostasiatische Kulturwissenschaften und Vietnamistik in Frankfurt am Main und Shanghai; 1982 promovierte er über die frühen Lieder des Su Dongpo. Er arbeitete als Dozent für Chinesisch, ist seit über zwanzig Jahren als Übersetzer tätig und hat zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten zur chinesischen Kulturgeschichte vorgelegt.

Manfred Dahmer studierte Musik, Sinologie und Musikwissenschaft in Frankfurt am Main und promovierte über alte chinesische Musik. Beim Hessischen Rundfunk war er für Klassische und außereuropäische Musik zuständig, arbeitete als Lehrer für die Musikschule Frankfurt und veranstaltet mit der Griffbrettzither Gesprächskonzerte.

Buchempfehlung – Jane Gardam „Ein untadeliger Mann“

gardam
Hanser Berlin, 22.90 €

Der Jurist Edward Feathers ist ein untadeliger Mann, der sein Leben der Jurisprudenz und dem britischen Empire verschrieben hat. Der langjährige Richter in Hongkong, geboren in Malaysia, erzogen in England, jetzt, mit über achtzig Jahren, wieder in England lebend, ist der englische Gentleman par excellence: stets perfekt gekleidet, von vollendeten Manieren und ein Meister im Verbergen jeglicher Gefühlsregung. Erst nach dem unerwarteten Tod seiner Frau Betty bekommt das so perfekte Gebäude seines Lebens plötzlich erste Risse, durch die allmählich Erinnerungen einsickern, die er jahrzehntelang verdrängt hat.

Denn Edward Feathers zählte zu den „Raj-Kindern“, Kindern von englischen Beamten, die in den Kolonien geboren und schon in sehr jungen Jahren nach England gebracht wurden, da nach allgemeiner Meinung das Leben in den Kolonien für Kleinkinder zu gefährlich war. Man fürchtete Tropenkrankheiten genauso wie die Verwilderung der Sitten unter dem Einfluss der „Eingeborenen“. In vielen Fällen landeten diese Kinder dann bei Verwandten oder in Pflegefamilien, hatten jahre- oder jahrzehntelang keinerlei Kontakt zu ihren Eltern und wuchsen ungeliebt und oft genug vernachlässigt auf. Und so sind die Erinnerungen, denen sich Edward jetzt stellen muss, vor allem geprägt von Verlusten – dem Verlust seines geliebten malaysischen Kindermädchens, später seines besten Freundes im Krieg bis schließlich zum Verlust seiner Frau –, aber auch von einer Unfähigkeit zu lieben, die nicht nur ihn erschreckt. Stück für Stück wird so die Geschichte eines Menschen entfaltet, aber auch einer Gesellschaftsschicht, die mit den eigenen Kindern nicht weniger brutal umgeht als mit den Einwohnern der Kolonien, über die sie herrscht – und das weniger aus Bösartigkeit als aus emotionaler Unfähigkeit, sind doch die Eltern unter denselben Umständen aufgewachsen und haben dieselbe Lieblosigkeit erfahren, die jetzt ihre Kinder trifft.

Jane Gardam erzählt diese Geschichte lakonisch, ohne jede Sentimentalität, aber dafür mit oft scharfer Ironie. Die mittlerweile selbst 87jährige Autorin versteht es nicht nur meisterhaft, die Zwischenkriegszeit in England und das Leben der gehobenen Schichten lebendig zu machen, sie versetzt ihren fast gleichaltrigen Protagonisten, an dem in seinem behüteten, abgeschiedenen Leben auf dem Land alle Veränderungen vorbeigegangen sind, mit viel Witz auch in Situationen, in denen er schockartig mit diesen Veränderungen konfrontiert wird. Es ist gut, dass endlich ein Roman der in England sehr bekannten und mit vielen Preisen ausgezeichneten Autorin ins Deutsche übersetzt wurde, und man kann nur auf weitere Übersetzungen hoffen, denn es kommt nicht oft vor, dass ein Buch, das emotional so tief berührt und aus dem man so viel Neues lernt, gleichzeitig auch noch so viel Vergnügen macht.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main

Lesung und Gespräch – Jutta Person „Esel“

Donnerstag, 1. Oktober 2015, 20 Uhr

esel

Störrisch, dumm, eigensinnig und geil – die Eigenschaften, die dem Esel zugeschrieben werden, sind selten schmeichelhaft. Und doch spielt kaum ein Tier in der Kulturgeschichte eine so bedeutende Rolle wie der Esel. Jutta Person erzählt die erstaunlich reiche Geschichte dieses faszinierenden Lastentiers und betreibt eine Charakterologie des Esels. Sie trifft prominente Eselzüchter und portraitiert domestizierte und wilde Eselarten. Nicht zuletzt zeigt sie, wie klug dieses vermeintlich dumme Tier mit den schönen Augen ist – und wie viel wir von ihm lernen können.

Esel und Eulen, Äpfel und Birnen, Monster und Gespenster: Die von Judith Schalansky im Verlag Matthes & Seitz herausgegebene Reihe Naturkunden erzählt von Tieren und Pflanzen, von Landschaften, Steinen, Himmelskörpern und fremden Wesen. Der Name ist Programm: Hier wird eine leidenschaftliche Erforschung der Welt betrieben; kundig, anschaulich und in liebevoll gestalteten Ausgaben. Die Naturkunden sind Zeugnis einer lebendigen Buchkultur und eines sorgsamen Verlagsprogramms.

Jutta Person
(c) Falk Nordmann

Jutta Person ist Journalistin und Kulturwissenschaftlerin. Sie wurde 1971 in Südbaden geboren und lebt in Berlin. Sie studierte Germanistik, Italianistik und Philosophie in Köln und Italien und promovierte mit einer Arbeit zur Geschichte der Physiognomik im 19. Jahrhundert. Sie schreibt für die Süddeutsche Zeitung, für Literaturen, Die Zeit und das Philosophie Magazin. Von 2004 bis 2007 war sie Redakteurin bei Literaturen, seit Oktober 2011 betreut sie das Ressort Bücher beim Philosophie Magazin. 2012 war sie Mitglied in der Jury des Deutschen Buchpreises.

Eine Veranstaltung in Kooperation mit der Karl Marx Buchhandlung (Frankfurt-Bockenheim) und mit freundlicher Unterstützung des Verlags Matthes & Seitz.

 

Bibliographische Angaben:

Jutta Person, Judith Schalansky (Hg.)
Esel. Ein Portrait
Mit zahlreichen farbigen Abbildungen, Kleinoktav-Format
144 Seiten, flexibler Einband, fadengeheftet und mit Kopfschnitt
40 Abbildungen
ISBN: 978-3-88221-078-1
Preis: 18,00 €

 

Bilderbuchferien

Bilderbuchferien für Kindergarten- und Grundschulkinder

In den Sommerferien lesen wir jeden Montag und Donnerstag um 10 Uhr ein Bilderbuch vor.

Wir freuen uns auf Euch! Schöne Ferien wünschen die Buchhändlerinnen aus der Autorenbuchhandlung!


WaechterMontag, 3 August 2015

Philip Waechter
Endlich wieder zelten

Beltz Verlag

ab 3 Jahren

 

 

 

 


BoieDonnerstag, 6. August 2015

Kirsten Boie, Regina Kehn
Warum wir im Sommer Mückenstiche kriegen, die Schnecken unseren Salat fressen und es den Regenbogen gibt

Jumbo Neue Medien

ab 5 Jahren

 

 

 


BuecherschnappMontag, 10. August 2015

Helen und Thomas Docherty
Der Bücherschnapp

Ellermann Verlag

ab 3 Jahren

 

 

 

 


OrthsDonnerstag, 13. August 2015

Markus Orths
Das Zebra unterm Bett

Moritz Verlag

ab 6 Jahren

 

 

 

 


Atlantis Nova H14.inddMontag, 17 August 2015

Lorenz Pauli, Katharina Schärer
Da bist du ja!

Atlantis

ab 3 Jahren

 

 

 

 


DammDonnerstag, 20. August 2015

Antje Damm
Der Besuch

Moritz Verlag

ab 4 Jahren

 

 

 

 


ChaudMontag, 24. August 2015

Benjamin Chaud
Großer Bärenzirkus

Gerstenberg Verlag

ab 3 Jahren

 

 

 

 


Tellegen_24677_Umschlag_DruckNEU.inddDonnerstag, 27. August 2015

Toon Tellegen, Marc Boutavant
Man wird doch wohl mal wütend werden dürfen

Hanser Verlag

ab 6 Jahren

 

 

 

 

Lesung und Gespräch – Steven Uhly „Königreich der Dämmerung“

Mittwoch, 1. Juli 2015, 20 Uhr

Moderation: Christian Ruzicska

Steven Uhly Königreich der Dämmerung. Roman Secession Verlag für Literatur, 29,95
Steven Uhly
Königreich der Dämmerung. Roman
Secession Verlag für Literatur, 29,95

Die Anfangsszenen des Romans spielen im Herbst 1944. In einer kleinen Stadt in Polen erschießt eine Jüdin einen SS-Sturmbannführer, 37 Jahre alt. Tags darauf werden 37 Menschen öffentlich hingerichtet. Willkür und Widerstand sind gleichermaßen Teil der gewaltigen Anfangszenen des Romans, der mit großer emotionaler Kraft einen Erzählbogen von den letzten Kriegsmonaten bis in die jüngste Vergangenheit spannt.

„Königreich der Dämmerung“ berichtet vom Leben einer jüdischen Flüchtlingsgruppe, von einer umgesiedelten Bauernfamilie aus der Bukowina, vom Leben in den Camps für Displaced Persons und verwebt dabei Weltpolitik und den Lebenswillen der häufig im Untergrund agierenden Menschen.
„Es ist verwunderlich, dass dieser Roman bisher so wenig Aufsehen erregt hat, scheint er doch wie geschaffen dafür zu sein, kontrovers diskutiert zu werden. Ein Roman, der vergessene, verdrängte Ereignisse einer Ära aufgreift, als der Frieden noch ziemlich kriegerisch war. Ein Autor, der sich nicht scheut, die bekannten Dinge auch gegen ihre übliche Interpretation zu deuten. Ja, es ist rätselhaft, dass Steven Uhlys „Königreich der Dämmerung“ nicht im Zentrum literarischer Debatten steht.“ (Karl-Markus Gauss in der Süddeutschen Zeitung)

Steven Uhly, 1964 in Köln geboren, ist deutsch-bengalischer Abstammung. Er studierte Literatur, leitete ein Institut in Brasilien, übersetzt Lyrik und Prosa aus dem Spanischen, Portugiesischen und Englischen. Sein Debütroman »Mein Leben in Aspik« erschien 2010, danach 2011 »Adams Fuge« und 2012 »Glückskind«.

Christian Ruzicska, Verleger des Secession-Verlags und Übersetzer.

Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem “Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik” der Goethe Universität Frankfurt

Buchvorstellung und Gespräch

Moritz Baßler „Deutsche Erzählprosa 1850 – 1950“

Moderation: Heinz Drügh

Dienstag, 16. Juni 2015, 20:00 Uhr

bassler
Moritz Baßler Deutsche Erzählprosa 1850-1950. Eine Geschichte literarischer Verfahren. Erich Schmidt Verlag, 49,80 €

 

Moritz Baßlers Buch ist eine Literaturgeschichte der anderen Art. Was hält die deutsche Literatur von 1850 bis 1950 am Laufen? Wie ist sie gemacht, wie funktioniert sie? Der Weg führt vom Poetischen Realismus des 19. Jahrhunderts über die frühe und die emphatisch-wilde Moderne bis hin zu den neuen Realismen der 1920er Jahre, die die deutsche Literatur noch weit über 1945 hinaus prägten. In kurzen Textproben und anschaulichen Skizzen präsentiert Moritz Baßler einen neuen, komplexen Zugriff auf die Geschichte deutschsprachiger Erzählprosa. Warum müssen realistische Helden immer entsagen? Was eint die vielen Ismen um 1900? Warum versteht man expressionistische Texte nicht? Und wie kommt es, dass die Literatur so unterschiedlicher Richtungen wie Neue Sachlichkeit, Magischer Realismus, NS- und Exilliteratur ab 1920 wieder flächendeckend realistisch schreibt? Was für Kunst oder Musik selbstverständlich ist, wird hier erstmals für die deutschsprachige Literatur vorgelegt: eine Geschichte ihrer Verfahren.

 

Prof. Dr. Moritz Baßler, geb. 1962, Professor für Neuere Deutsche Literatur in Münster. Studium der Germanistik und Philosophie in Kiel, Tübingen und Berkeley. 1993 Promotion: Die Entdeckung der Textur, 2003 Habilitation: Die kulturpoetische Funktion und das Archiv. Neben zahlreichen Publikationen im Gebiet der Literatur ist er Mitbegründer der Zeitschrift POP-Kultur und Kritik.

Prof. Dr. Heinz Drügh, geb. 1965, Professor für Neuere Deutsche Literatur und Ästhetik an der Goethe-Universität Frankfurt/M.

Eine Veranstaltung in Zusammenarbeit mit dem „Institut für deutsche Literatur und ihre Didaktik“ der Goethe Universität Frankfurt

Buchempfehlung – Lydia Tschukowskaja „Untertauchen“

untertauchenIm Februar 1949 verbringt die russische Dichterin Nina Sergejewna einige Wochen in einem Sanatorium für Künstler in der Nähe von Moskau auf dem Lande. Sie hofft darauf, dort „untertauchen“ zu können. In Stille und Abgeschiedenheit, fern von dem, was ihren Alltag in Moskau quälend macht: das Zusammenleben mit den willkürlich zusammengewürfelten Menschen in der „Kommunalka“, die Sorgen um die Tochter, die Erinnerungen an den spurlos verschwundenen Mann. Für vier Wochen wird sie versorgt werden, sich um nichts kümmern müssen. Und der größte Luxus ist für sie ein Zimmer für sich allein.

Das Sanatorium entpuppt sich als Zauberberg en miniature. Eine kleine, abgeschlossene Gruppe von Menschen, die bei den gemeinsamen Mahlzeiten zusammen sitzt, bei medizinischen Anwendungen nur durch Vorhänge getrennt in der Badewanne liegt, sich auf Spaziergängen trifft. Die wichtigsten von ihnen sind ein Regisseur mit seiner jungen Begleitung, die sich krampfhaft jugendlich gebende Hauswirtschafterin, ein junges Mädchen, das dort arbeitet, ein alter jüdischer Dichter, ein eitler Journalist. Schnell sind Nina Sergejewna ihre Mitmenschen zuwider. Jeder bewegt sich im Kosmos seiner persönlichen Eitelkeiten, verkündet seine Meinungen ungefragt, und sie kann weder der Parteipresse noch den ideologischen Radiosendungen entgehen.

Aber da ist auch noch der chamäleonhafte Schriftsteller Bilibin. Ein Mann, der viele Gesichter und Stimmen hat und der sie, fast gegen ihren Willen, fasziniert. Als sie auf einem gemeinsamen Spaziergang erfährt, dass er in einem Straflager war, hofft sie, mehr über das Leben dort und damit vielleicht über die Umstände erfahren zu können, unter denen ihr Mann getötet wurde. Eine zarte Freundschaft bahnt sich zwischen den beiden an, und für Momente eröffnet sich für Nina Sergejewna die Möglichkeit einer neuen Beziehung mit einem Gleichgesinnten. Bis sie enttäuscht feststellt, dass auch Bilibin den Weg der Anpassung gehen wird und sie seine „wahre“ Stimme nur im Geheimen hören kann, während sie mit ihrer leidenschaftlichen Verteidigung der vom Regime geächteter Dichter Gefahr läuft, selbst ins Visier linientreuer Genossen zu geraten.

Die 1907 geborene Lydia Tschukowskaja hat sämtliche Phasen der russischen Gesellschaft nach der Revolution erlebt. Prägend war für sie die Zeit des großen stalinistischen Terrors, in der ihr damaliger Mann spurlos verschwand. Sie muss eine sehr mutige und widerständige Frau gewesen sein, die sich für Schriftsteller einsetzte, die Publikationsverbot hatten. Der 1949 begonnene Roman „Untertauchen“ erschien zuerst 1972 in Amerika und führte dadurch 1974 zu ihrem Ausschlussaus dem Schriftstellerverband. (Ihre beeindruckende Rede vor dem Verband hat der Verlag dankenswerterweise im Anhang abgedruckt.)Das gesellschaftliche Klima, das sie in „Untertauchen“ beschreibt, war ihr zutiefst vertraut, und wie sie mit jeweils wenigen Sätzen die Atmosphäre des Sanatoriums und die Menschen, die darin arbeiten, sowie die Gäste beschreibt, ist meisterhaft. Ist der Ton der Ich-Erzählerin anfangs noch etwas naiv-poetisch, wandelt er sich im Laufe des Romans zu Melancholie und Ernüchterung. Die wenigen handelnden Personen und erzählten Situationen führen dem Leser die Stimmung der Zeit vor: Intellektuellenfeindlichkeit, Denunziation, Einsamkeit, Verhaftung, Verhöre, Lager machen die Menschen zu Tätern und Opfern – häufig beides in einer Person. Es gibt diejenigen, die ahnungsvoll auf den nächsten Tag blicken, und die, die sich anpassen, aber wissen, dass auch ihr Untergang jederzeit kommen kann. Nichts und niemand ist in diesem System sicher. Heute trifft Verfolgung und Hetze Juden und Kosmopoliten, morgen werden es andere sein. Und so drehen die meisten ihr Fähnchen nach dem Wind, denn wer heute noch verteidigt wird, kann morgen schon zum Ausgestoßenen werden.

„Untertauchen“ ist ein bitteres Zeitportrait. Dass man es trotzdem mit großer Freude liest, verdankt sich Tschukowskajas ruhiger, schnörkelloser und doch poetischer Sprache, die selbst eine kafkaesk anmutende Erzählung in der Erzählung, in der Frauen im tiefsten Winter vor einer Kommandantur stehen, um Informationen über den Verbleib ihrer Männer zu erhalten, eine tiefe Kraft gibt. Wie gut, dass der Dörlemann Verlag das Buch, das in den siebziger Jahren schon einmal auf Deutsch erschienen war, für den heutigen Leser erneut herausgebracht hat, denn mit „Untertauchen“ ist eine großartige Schriftstellerin wieder zu entdecken.

Ruth Roebke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt

Trauma, Therapie und Politik am Anfang des 21. Jahrhunderts – José Brunner und David Becker im Gespräch

Montag, 20. April 2015, 20 Uhr

Prismen – Institut für Sozialforschung bei Marx & Co

Traumaarbeit ist ein wesentlicher Bestandteil der Auseinandersetzung mit den psychischen Folgen von Krieg und Terror, Verfolgung und Unterdrückung. Dabei sind Traumatheorien und damit verbundene Interventionsansätze selbst immer auch Ausdruck gesellschaftlicher Konflikte und Wertedebatten. Zudem ist häufig unklar, wie Fachleute der Seele therapeutisch arbeiten können, wenn sie selbst der Feindschaft und kollektiver Gewalt ausgesetzt sind. Und vor allem: Welche Ziele verfolgen sie? Sorgen sie sich in solchen Situationen hauptsächlich um die seelische Gesundheit der einzelnen Menschen, die psychische Stärke der betroffenen Nationen, oder ermutigt sie ihre therapeutische Erfahrung, sich vor allem friedenspolitisch zu engagieren und sich für Versöhnung einzusetzen?

José Brunner und David Becker sprechen über die politischen Dimensionen der Traumatheorien, ihre Bedeutung für die therapeutische Praxis sowie über die unterschiedlichen Perspektiven, aus denen sie Politik und Therapie miteinander in Verbindung bringen.

David Becker, Dr. phil., ist Direktor des Büros für psychosoziale Prozesse (OPSI) der Internationalen Akademie Berlin für innovative Pädagogik, Psychologie und Ökonomie (INA), Professor für Psychologie an der Sigmund Freud PrivatUniversität, Berlin, und berät psychosoziale Projekte im In- und Ausland, gegenwärtig vor allem im Nahen Osten.

José Brunner, PhD, ist Professor am Institut für Wissenschaftsphilosophie und -geschichte sowie an der rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Tel Aviv; Leiter des Eva und Marc Besen Institute for the Study of Historical Consciousness; Herausgeber der Zeitschrift History & Memory sowie Mitbegründer der ersten »legal clinic« für die Rechte von Holocaust-Überlebenden in Israel. Am Institut für Sozialforschung ist José Brunner Mitglied des Internationalen Wissenschaftlichen Beirats.

Anlass und Hintergrund des Gesprächs bildet das Erscheinen der beiden Bücher:

José Brunner: Die Politik des Traumas. Gewalterfahrungen und psychisches Leid in den USA, in Deutschland und im Israel/Palästina-Konflikt. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2009. Berlin: Suhrkamp 2014
José Brunner: Die Politik des Traumas. Gewalterfahrungen und psychisches Leid in den USA, in Deutschland und im Israel/Palästina-Konflikt. Frankfurter Adorno-Vorlesungen 2009. Berlin: Suhrkamp 2014
David Becker: Die Erfindung des Traumas. Verflochtene Geschichten. Neuauflage. Gießen: Psychosozial-Verlag 2014.
David Becker: Die Erfindung des Traumas. Verflochtene Geschichten. Neuauflage. Gießen: Psychosozial-Verlag 2014.