Das Buch ist zugleich Roman, Memoir und Essay, und die vielen großartigen Dialoge lesen sich wie ein Theaterstück. Gekonnt vermischt Akhtar Fakt und Fiktion, um eine überaus spannende Einwanderergeschichte zu erzählen, in deren Mittelpunkt Vater und Sohn stehen, die wohl nicht zufällig die gleichen Namen wie der Autor und sein Vater tragen. Erzählt wird aber nicht nur eine Familiengeschichte, sondern auch die Geschichte des langsamen und stetigen Verfalls einer Nation, der in dem Neoliberalismus der 80er seinen Anfang hat, und an dessen Ende die Präsidentschaft Trumps steht.
Der Roman beginnt im Jahr 2016 mit der Kandidatur Trumps
und dem Beinahe-Zerwürfnis zwischen Vater und Sohn, denn der Sohn
erkennt die Gefahren für die Nation, während der Vater ein glühender
Bewunderer von Trump ist. Diese Bewunderung hat ihren Anfang in den
90ern, als Sikander Akhtar, Donald Trump als Arzt behandelt. Aus einer
anfänglichen gegenseitigen Beargwöhnung wird fast so etwas wie eine
Freundschaft. Ob diese Begegnung wirklich stattgefunden hat, sei
dahingestellt, deutlich wird aber, wie manipulativ Trump agiert und sich
die Zuneigung des Vaters letztlich erkauft. Am Ende des Romans
distanziert sich der Vater von dieser Bewunderung, denn Trump ist
mittlerweile 2 Jahre im Amt: Populismus und Hetze sind der neue
politische Ton, Statements zu weltpolitischen Geschehnissen werden in
würdelosen Kurznachrichten gepostet – in Sikanders Augen hat Trump sein
Amt missbraucht und beschädigt. Beruflich wie privat gescheitert, aber
nicht verzweifelt, geht er zurück nach Pakistan, das er nach Jahren des
Leugnens als seine wahre Heimat ansieht.
Der Autor holt dabei weit aus. Von dem Grauen des
Indien-Pakistan-Konfliktes, der die Eltern zur Emigration treibt, führt
er den Leser über den Afghanistan-Konflikt durch die postkoloniale
Kriegsszenerie der letzten Jahrzehnte in das Amerika nach 9/11.
Weltpolitik hat immer unmittelbaren Einfluss auf die Familiengeschichte,
und die Konflikte ziehen dabei oft tiefe Gräben durch die eigene
Familie.
Der Sohn, nach anfänglichen Schwierigkeiten mittlerweile
ein anerkannter Autor, sucht lange nach einer inneren Heimat, die er
zunächst in der Literatur findet. Die zunehmenden Anfeindungen gegen
Muslime nach 9/11, denen er sich, obwohl er sich selbst nie als Moslem
gesehen hat, immer häufiger ausgesetzt sieht, lassen ihn nach seiner
kulturellen Identität fragen, die er aber nicht selbst bestimmen kann,
weil sie ihm von außen gegeben wird. Er schreibt sich frei und bekommt
dafür die höchste literarische Anerkennung: den Pulitzerpreis. Obwohl
scheinbar angekommen, bleibt er doch immer der Exot, der Fremde. Hier
wird das Buch fast zum Coming-of-ageRoman.
Die vielen großen Themen des Buches werden wie in einem
Theaterstück durch das Auftreten verschiedener Figuren in großartigen
Dialogen mit dem Erzähler behandelt.
So erklärt zum Beispiel ein Hedgefond-Manager, wie er auf
einem persönlichen Rachefeldzug viele Städte in die Pleite und Armut
getrieben hat, wie er mit Geldern anderer spielt, um sich selbst zu
bereichern. Der Erzähler ist zunächst bestürzt, kommt aber selbst durch
ein zwielichtiges Insidergeschäft zu Reichtum. Auch das ist einer dieser
inneren Widersprüche, denen sich der Erzähler stellen muss.
Der ungebremste Kapitalismus, der so viele Existenzen
ruiniert und ganze Städte und Landstriche verödet hat, ein
Krankensystem, das einen Großteil der Bevölkerung ausschließt, und die
immer größere Kluft zwischen Arm und Reich sind ein Teil der
amerikanische Realität. Ein Präsident, der Populismus und Hass schürt,
bringt das Land an den Rand der Spaltung, so lautet das Fazit des
Romans. Wie recht der Autor damit hat, mussten wir leider erleben. Den
Präsident sind wir jetzt los, aber die Wunden müssen aber heilen.
All den Lesern, die die aktuelle politische Lage in den USA begreifen wollen, sei die Lektüre von Homeland Elegien von Ayad Akhtar dringend empfohlen.
Homeland Elegien ist kein Klagelied, sondern ein vielschichtiger Roman, spannend erzählt und sehr klug.
Andrea Schulz, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt