Buchempfehlung – Jean-Michel Guenassia „Eine Liebe in Prag“

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Der jüdische Arztsohn Josef Kaplan – die Namensähnlichkeit mit Kafkas Josef K. ist keineswegs zufällig –, Jahrgang 1910, zieht während seines Medizinstudiums durch das Prager Nachtleben, tanzt begnadet Walzer und Tango, knickt gedankenlos rechts und links die Frauenherzen, schließt sich der sozialistischen Studentenbewegung an und setzt sich zum Ärger seiner Professoren für kostenlose Behandlung der Armen und die Legalisierung der Abtreibung ein. Schließlich macht er sich so unbeliebt, dass der Vater ihn nach Paris schickt, wo er sich zu gleichen Teilen der Forschung, der Revolution, dem Tango und den Frauen widmet. Er bekommt eine Stelle am Institut Pasteur von Algier, versteckt sich vor der nach Hitlers Sieg über Frankreich einsetzenden Judenverfolgung drei Jahre in einer gottverlassene Versuchsstation, wo er an der Entwicklung eines Mittels zur Bekämpfung der Anopheles-Mücke forscht und die elenden arabischen Einheimischen medizinisch betreut, heiratet nach Kriegsende die schöne Schauspielerin Christine und kehrt schließlich mit ihr zurück in die Tschechoslowakei, unternimmt einen kurzen Ausflug in die Politik und landet schließlich als Leiter eines Lungensanatoriums in der Provinz, wohin man ihm eines Tages einen politisch offensichtlich hochwichtigen Patienten schickt, bei dem es sich um keinen anderen als Che Guevara handelt. Damit beginnt eine neue, tragische Liebesgeschichte: Josefs Tochter Helena verliebt sich in Che und einem Happyend steht nichts im Weg – außer den politischen Interessen. Am Ende, nach der friedlichen Revolution und dem Zerfall der Sowjetunion, blickt der hundertjährige Josef in Vergangenheit und Zukunft – und hört Tango auf dem Walkman.

Guenassias schwindelerregender Tour de Force mag die Dichte seines Erstlingswerks, dem „Club der unverbesserlichen Optimisten“ fehlen, dafür ist der gewählte Zeitraum zu groß, sind die Schauplätze zu verschieden. In „Eine Liebe in Prag“ reiht er höchst lebendige Episoden aneinander, bewegt sich sozusagen in Sprüngen durch die Räume und die Zeit, in einem immer aufs neue fesselnden Auf und Ab, und nimmt den Leser so mit auf eine Achterbahnfahrt der Gefühle, so kafkaesk wie sentimental, so tragisch wie komisch, so ergreifend wie befremdlich. Reisen Sie mit – Sie werden es nicht bereuen.

Irmgard Hölscher, Frankfurt am Main