Buchempfehlung

Kate O’Shaughnessy

Das Glück wartet nur bis um vier

dtv junior
12,95 €
ab 10 Jahren

Ein Kinderbuch, das schwierige Themen nicht umschifft und trotzdem oder gerade deshalb ein großes Lesevergnügen ist? Das Debüt der amerikanischen Autorin Kate O’Shaughnessy sollte in keinem Kinderbuchregal fehlen.

May(belle) ist elf, und warum sie mit ihrer Mutter in einem Wohnwagenpark lebt und sich insgeheim schuldig fühlt, weil sie nicht mehr in diesem schönen Haus in der anderen Stadt wohnen, erfährt man erst nach und nach. So auch, warum es das Mädchen fast umhaut, als sie eines Tages die Stimme ihres Vaters im Radio hört, und warum ihre Mutter ihr nie etwas von ihm erzählen wollte.

Sommerferien, und May vertreibt sich die Zeit damit, Geräusche und Töne, die die meisten Menschen überhören, mit einem kleinen Tonband aufzunehmen: ein undichter Wasserhahn, der tropft, oder der Wind, der eine Tür leise schwingen lässt. May sammelt diese besonderen Geräusche. Und nur sie weiß, dass auch Einsamkeit unverwechselbar klingt.

Weil Mays Mutter Arbeit auf einem Kreuzfahrtschiff gefunden hat, soll Mrs Boggs, die Nachbarin, auf May aufpassen. May kennt sie zwar vom Hörensagen aus der Schule, aber das macht es nicht besser, denn Mrs Boggs hat den Ruf, die strengste Lehrerin weit und breit zu sein. Und die ersten Absprachen zwischen May und ihrer ruppigen Ferien-Betreuerin sind auch einigermaßen entmutigend. Umso überraschender entwickelt sich dann allerdings die Geschichte, und zwar zu einem echten Roadtrip durch die Südstaaten der USA! Und das alles, weil May heimlich beschließt, unbedingt an einem Gesangswettbewerb in Nashville teilzunehmen. Eine Elfjährige mit vielerlei Ängsten, eine schrullige Lehrerin, die nach dem Verlust ihres Mannes all ihre bunten Kleider ganz hinten im Schrank versteckt, und der Nachbarjunge Tommy, dessen blaue Flecken gar nicht aus den Prügeleien zwischen Jungs stammen und den May bislang für einen echten Fiesling hielt, bilden eine kuriose Reisegruppe, die einem beim Lesen unumkehrbar ans Herz wächst.

Dieses aus der Ich-Perspektive des tapferen Mädchens May erzählte Kinderbuch überzeugt durch seine glaubwürdigen Charaktere und die sanfte Einladung, sich mit Themen wie Einsamkeit, Verlust und Misshandlung auseinanderzusetzen. Der jungen Autorin gelingt es, die Welt eines Mädchens, das es nicht ganz leicht hat, so zu schildern, dass die immer wieder aufscheinende Tragik durch Situationskomik, sich entwickelnde Freundschaften und mutige Entscheidungen der Protagonisten ausgeglichen wird. Das Glück wartet nur bis um vier ist lebensnah, witzig, poetisch und eine klare Leseempfehlung dieses Sommers für alle zwischen 10 und 99, die gute Bücher lieben!

Larissa Siebicke, autorenbuchhandlung marx & co, Frankfurt