Buchempfehlung

Manja Präkels

Als ich mir Hitler Schnapskirschen aß

Verbrecher Verlag, 20 €
978-3-95732-272-2

Der vieldiskutierte Roman von Manja Präkels thematisiert ein von der breiten Öffentlichkeit vielfach verleugnetes oder bestenfalls unbeachtetes Phänomen: die Erstarkung rechtsradikaler, neonazistischer Gruppen in Deutschland nach der Wende. Angelehnt an ihre eigenen Erfahrungen aus ihrer Jugend in der ostdeutschen Provinz in den frühen 90er Jahren, verdeutlicht dieser Roman, wieso Phänomene wie PeGiDa und AfD für Präkels keineswegs überraschend sind. Bei aller politischen Brisanz gelingt der Journalistin jedoch darüber hinaus ein literarisch gelungenes Debüt.

Was geschieht, wenn man nach langer Abwesenheit an den Ort seiner Kindheit und Jugend zurückkehrt? Und wenn dieser Ort nicht Unbeschwertheit oder Geborgenheit vermittelt, sondern Angst? Wenn man nach Jahren des Exils zurückkommt und Hitler einem mit einem Mal wieder als der alte Schulfreund erscheint, der er einmal war?

Früher sind Oliver und Mimi oft zusammen angeln gegangen. Obwohl sie wenig miteinander gesprochen haben, bestand doch eine Freundschaft zwischen ihnen. Dann kam die Wende, und aus Oliver wurde Hitler, Anführer einer von zahlreichen Neonazigruppen, die zu dieser Zeit die Kontrolle über das soziale Leben übernahmen, wie Mimi ihre Erinnerungen beschreibt. In ihrer Rückschau auf die Ereignisse, wird der Protagonistin klar, dass diese frühe Freundschaft zu Hitler/Oliver ihr das Leben gerettet haben könnte. Denn mit dem Erstarken der Neonazis wurden sie und ihre Freunde, die „Zecken“, zu Gejagten. Denn der Einfluss der Rechten auf die Gesellschaft scheint übermächtig und allgegenwärtig und wird doch, auch damals schon, totgeschwiegen. Nazis stürmen Diskotheken und Kneipen, die “Zecken” werden verfolgt und verprügelt. Ein Freund überlebt einen dieser Überfälle nicht. Die Täter werden freigesprochen, die Angst wächst, die Übergriffe werden häufiger. Von ihrer Familie wird Mimi Verfolgungswahn vorgeworfen, alles Einbildung, Übertreibung. Es folgt die Flucht nach Berlin, doch der Neuanfang, den die Großstadt verspricht, bleibt aus.

Manja Präkels, die sich mit neonazistischen Gruppierungen und Strömungen auch in ihrer journalistischen Tätigkeit beschäftigt und hier auch ein Stück weit ihre eigene Biografie verarbeitet, schreibt mit einer ungeheuren Sachkenntnis. Dabei gelingt es ihr wie wenigen ihrer journalistischen KollegInnen, sich auf die literarische Form des Romans einzulassen. Durch ihren direkten Erzählstil überträgt sich die beklemmende Stimmung auf die Leserin und sorgt dafür, dass das Buch einen lange beschäftigt.

In Deutschland, in den neuen Bundesländern wie in den alten, wurde und wird rechte Gewalt systematisch geleugnet oder kleingeredet. Mit ihrem Roman wie mit ihrer journalistischen Arbeit leistet Manja Präkels einen wichtigen Beitrag zur Debatte.

Theresa Mayer, autorenbuchhandlung marx & co. Frankfurt