Kapitalismus forever
Über Krise, Krieg, Revolution, Evolution, Christentum und Islam
Im Science-Fiction-Klassiker Alien kämpft eine Raumschiffbesatzung gegen ein außerirdisches Monster. Zur Crew gehört unter anderem der Android Ash, der eine exklusive Meinung über das Monster hat: „Ich bewundere die konzeptionelle Reinheit. Geschaffen, um zu überleben. Kein Gewissen beeinflusst es“. Einen Bruder im Geiste scheint Ash nun in Wolfgang Pohrt gefunden zu haben, der in seinem neusten Buch Kapitalismus Forever einer ähnlich bizarren Schwärmerei das Wort redet: „Wunderbar, dieses Kapital, einfach wunderbar. Sein einziger Daseinszweck besteht darin, sich zu vermehren – wie das Leben selbst“. Was macht, fragt man sich verwundert, der ausgewiesene Marxist Pohrt da bloß?
Während anderswo der kommende Aufstand beschworen wird, erklärt er leichthändig, warum der Kapitalismus trotz Krise so gut funktioniert und wieso sich die Kritik an ihm seit eh und je die Zähne ausbeißt. Die Formel für die Art und Weise, wie das Erzählen in Kapitalismus Forever vonstatten geht, wird gleich zu Beginn mitgeliefert: „Der Blick zurück ist ein Blick in den Spiegel“. Über die Abrechnung mit seiner eigenen Vergangenheit, die mit den 68ern eng verknüpft ist, gelangt Pohrt zu einer schonungslosen Analyse der gegenwärtigen gesellschaftlichen Verhältnisse.
Analog zum Android Ash, einem künstlichen Menschen, handelt es sich bei dem Ich, das in Kapitalismus Forever spricht, um eine Kunstfigur. Sie lässt ein bestimmtes Bild vom Autor entstehen. Pohrt erscheint zum einen unheimlich zynisch und altersweise, der gegen jeden und alles polemisiert: vor allem aber gegen den Marxismus. Das zu lesen macht Laune. Der Ton ist passagenweise so ätzend wie das grüne, schleimige Blut, das durch die Adern des Aliens rinnt. Zum anderen tritt Pohrt aber auch zutiefst verunsichert auf, mit sich selbst ringend, ob der Kapitalismus nicht doch endlich sei.
All das spielt sich auf knapp 100 Seiten ab. Die komplexe Themenreihe, wie sie der Untertitel annonciert, wird förmlich in Lichtgeschwindigkeit abgehandelt. Auf der Strecke bleiben dabei manchmal unweigerlich die Argumente und Pointen. Die Lektüre wird deshalb zu einer speziellen Kopfsache: Kopfnicken und Kopfschütteln wechseln sich dabei ab. Sich stets bestätigt zu fühlen wäre allerdings auch langweilig.
Hoffnung auf ein Leben jenseits des Kapitalismus macht Pohrt jedenfalls nicht. Er würde es in der Hinsicht wohl eher mit Ash halten: „Sie scheinen immer noch nicht zu begreifen, womit Sie es zu tun haben: Mit einem perfekten Organismus“.
Malte Kleinjung
Wolfgang Pohrt
Kapitalismus Forever .
Über Krise, Krieg, Revolution, Evolution, Christentum und Islam.
Edition Tiamat, 2012, 13,- Euro